In der Falle - Leino, M: In der Falle
vorige Woche? – war Juha ins Wohnzimmer gekommen und hatte das Licht angemacht, als Klein-Liina auf ihrem Bauch gerade eingeschlafen war und sie sich selbst gut und geborgen gefühlt hatte. Er hatte gefragt, ob sie nicht lieber ins Bett kommen wolle, aber sie hatte den Kopf geschüttelt. Da hatte Juha das Licht ausgemacht und war gegangen. Sonst nichts.
Juha liebte Kinder nicht so wie sie. Juha liebte auch sie nicht. Hatte sie noch nie geliebt. Und er hatte eine andere, da war sie sich vollkommen sicher. Sie wusste es, seit sie am letzten Tag vor ihrem Mutterschaftsurlaub auf den Kontostand geschaut hatte. Sie hatte sich nur vergewissern wollen, dass mit den Finanzen alles stimmte, es sollte nicht wieder alles so eng werden wie damals bei der ersten Liina, als sie viel zu früh wieder hatte arbeiten müssen, obwohl sie lieber zu Hause geblieben wäre, bis Liina in die Schule kam. Beim zweiten Kind würde sie bei ihrer Entscheidung bleiben, das hatte sie sich an ihrem letzten Arbeitstag fest vorgenommen. Diesmal würde Juha sie nicht dazu zwingen, so früh wieder zurück zur Arbeit zu gehen! Viel wichtiger als eine Karriere war, dass ein Kind eine Mutter hatte, die es liebte. Vielleicht würde sie überhaupt nicht wieder arbeiten.
»Ich wusste gar nicht, dass du schwanger bist. Du hast gar nichts gesagt«, hatte sich Raisa gewundert, als sie erzählte, dass sie ab morgen zu Hause bleiben würde. Sie hatten zusammen im Pausenraum gesessen.
»Im wievielten Monat, hast du gesagt, bist du?«, hatte Suvi, die neben Raisa saß, gefragt.
Als sie erzählte, dass Klein-Liina schon in zwei Wochen auf die Welt käme, sahen die beiden sie lange an.
»Man sieht gar nichts«, sagte Raisa. »Ich finde, du hast eher ab- als zugenommen.«
»Bist du dir ganz sicher?«, fragte Suvi, und sie merkte, wie die beiden einander Blicke zuwarfen. Falsche Blicke irgendwie.
Natürlich war sie sich sicher! Sie war schließlich nicht das erste Mal schwanger. Sie wurde böse und ließ die beiden im Pausenraum sitzen.
»Sari, ist alles in Ordnung mit dir?«, hörte sie Raisa hinter sich herrufen. Aber sie drehte sich nicht um. Sie hatte denen nichts mehr zu sagen.
Da hatte sie zum ersten Mal daran gedacht, dass sie vielleicht gar nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren würde. Die anderen waren nur neidisch auf ihr neues Glück. Sie hätten was darum gegeben, wenn sie an ihrer Stelle und in ihrem Zustand wären. Es sei denn, sie hätten gewusst …
… dass auf dem Konto nur etwas über tausend Euro gewesen waren, wo es gut fünftausend hätten sein sollen. Zum Glück wussten Raisa und Suvi das nicht, sonst hätten sie über sie und ihre Leichtgläubigkeit gelacht. Sie hatte ihrem Mann vertraut! Raisa war schon zweimal geschieden, und Suvi hatte erst gar nicht geheiratet. Suvi brauchte Männer nur für eine einzige Sache, sagte sie immer. Sonst seien sie allesamt Betrüger, und was die eine Sache angehe, seien die meisten auch noch Nieten.
Noch am selben Abend hatte sie Juha gefragt, wo das Geld sei, und er hatte geantwortet, dass er damit Rauschgift gekauft habe. Ein Scheinkauf angeblich. Juha hielt sie wohl für blöd. Sie wusste Bescheid, obwohl sie nicht bei der Polizei war. Scheinkäufe machte man nicht mit eigenen Ersparnissen, und das hatte sie Juha auch gesagt. Sie hatte ihn angeschrien, obwohl Klein-Liina gerade so gestrampelt hatte, dass es ihr fast die Luft nahm. Juha hatte davon nichts gemerkt, oder es war ihm egal, jedenfalls hatte er nur kalt gesagt, dass man es seit neuestem so mache und er das Geld bald wieder zurückbekäme. Danach war Juha laufen gegangen. Er ging immer laufen, wenn man mit ihm reden wollte. Er liebte seine Joggingrunde mehr als sie. Obwohl sie jetzt zu viert waren.
Das Geld war nicht wieder auf dem Konto aufgetaucht. Sie war jeden Morgen an den heimischen PC gegangen und hatte nachgeschaut, gleich nachdem Juha aus dem Haus war und bevor sie sich bei dem Mütter-Blog einloggte, in dem man sie als »Kinderlieb« kannte. Sie war eine so fleißige Gesprächsteilnehmerin, dass ihre Beiträge oft gekürzt oder komplett entfernt wurden, und sie verstand nicht, warum. Sie las keine Zeitungen mehr, weil sie nicht wollte, dass die schlechten Nachrichten, die man aus der ganzen Welt hörte, ihr Kummer machten und Klein-Liina diesen Kummer spürte. Dass die Welt böse war, würde das Mädchen noch früh genug lernen. Umso wichtiger war es, ihm die frühe Kindheit so angenehm wie möglich zu
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