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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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Boden. Sari schlug die Hände vors Gesicht.
    Es war einer der Augenblicke, in denen sie ahnte, dass sie Hilfe brauchte. Sie hatte Angst vor dem, was in solchen Augenblicken mit ihr geschah. Es war, als spielte irgendjemand Fremdes mit ihren Gedanken. Sie hatte böse Gedanken, die nicht ihre eigenen waren. Aber wessen Gedanken waren es dann? Warum war alles so seltsam? Warum hatte sie vor allem Angst und am meisten vor sich selbst? Warum konnte nicht einfach alles gut sein? Warum war nicht alles wie vor den schlimmen Gedanken?
    Für eine Weile überlegte Sari, ob sie Juha wecken sollte und ihn bitten, dass er nach einem Arzt telefonierte. Aber je länger sie überlegte, desto sicherer war sie sich, dass es genau das war, worauf er wartete: Er wollte sie von hier forthaben, aus dem Weg. Juha wollte ihr Unglück.
    Aber bald war alles wieder gut. Sari saß auf dem Fußboden und hielt Klein-Liina im Arm. Sie spürte, wie sich in ihrem Innern Wärme ausbreitete. Sie pustete auf die Wange, die sich das Baby beim Fallen angeschlagen hatte. Das hier war wirklich, und alles andere war nur ein böser Traum. Irgendjemand hatte sie glauben machen wollen, dass Klein-Liina nicht wirklich war. Aber da lag sie und schlief zufrieden in ihrem Schoß. Das schönste Kind der Welt. Und sie war die beste Mutter der Welt. Irgendjemand hatte gewollt, dass sie das alles anders wahrnahm, falsch. Aber sie wusste, dass man die Dinge nur mit dem Herzen richtig sah. Solange ihr Herz im Takt mit der Wirklichkeit schlug, so lange durfte sie ihren Augen nicht vertrauen. Weil sie die Wirklichkeit verfälschten. Auch Juha konnte sie nicht vertrauen, der nur an sich selbst dachte. Nie an sie und an Klein-Liina.
    »Es ist nur ein ganz kleines Aua, das pustet Mama weg«, flüsterte sie Klein-Liina zu.
    Sie lächelte. Man brauchte nur zu pusten, dann war alles Wunde weg. Es war so einfach, dass es fast zum Lachen war. Warum hatte sie das nicht früher begriffen? Ein kleines warmes Pusten, und alle Wehwehchen heilten.

 
    Die Einrichtung des Restaurants musste direkt aus dem zerbombten Beirut stammen, die geschmacklose Öllampe auf dem Tisch inklusive. Turunen kam die Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern in den Sinn. Dem Kellner mit dem lächerlichen Tuch um den Kopf, der ihnen Wodka in die mit bestickten Stoffen und nachgemachten Teppichen ausgestattete Nische brachte, hätte man den Ali Baba jederzeit abgenommen. Bregovic hatte eine so dunkle Gesichtsfarbe, dass man sein Mienenspiel im schwachen Licht der blakenden Funzel kaum erkennen konnte. Sie waren genau drei Räuber, die auf Sitzkissen und mit den Knien vorm Mund um einen niedrigen Tisch saßen. Zwei Augenpaare fixierten Turunen. Man wartete darauf, dass er mehr von sich gab als Flüche auf den Inneneinrichter des Lokals. »Wie steht’s in Finnland?«, hatte Koljakov auf Englisch gefragt. »Alles in Ordnung?«
    »Keine Probleme«, sagte Turunen. »Von unserer Seite ist alles okay. Wir sind bereit.«
    Koljakov nickte. »Und die Esten?«
    »Machen keinen Kummer. Wir sichern die Transportwege, und sie gucken in die Röhre«, sagte Turunen und kippte seinen Wodka auf Russenart. Ali Baba war auf Zack und tauchte Sekunden später zwischen den gerafften Vorhängen am Eingang der Nische auf. Die Kneipe war beschissen, aber der Service funktionierte ausgezeichnet. Der Räuberhauptmann füllte Turunens Glas bis zum Rand.
    »Wenn ihr keine Probleme habt, wieso sitzt Sundström dann im Gefängnis?«, fragte Koljakov von der anderen Seite des Tisches. Bregovic, der neben Koljakov saß, lachte kurz auf.
    »Er hat Pech gehabt. Aber das hat keine Auswirkungen auf die Arbeit unserer Organisation«, antwortete Turunen. »Ich hab eine direkte Verbindung zu ihm, nur ich, und die Dinge gehen ihren normalen Gang.«
    »Ja?« Koljakov fischte einen Packen Fotos aus der Brusttasche seines Jacketts und warf sie auf den Tisch. »Und was ist das?«
    Turunen nahm die Fotos und ärgerte sich, dass seine Hände dabei zitterten. Zum Glück war die Beleuchtung derart schlecht, dass die anderen es wohl nicht merkten. Die Fotos waren leider gut. Sie waren in Tallinn aufgenommen, im Stadtteil Kopli, der einen schlechten Ruf besaß. Sie zeigten das Mietshaus, in dem Kalju eine Wohnung im fünften Stock besaß, und waren offensichtlich mit einem Teleobjektiv vom Haus gegenüber aufgenommen worden. Er hatte nie verstanden, warum Kalju als estnischer Patriot ausgerechnet in der schäbigen Gegend mit den meisten Russen

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