In der Falle - Leino, M: In der Falle
wohnte. Auf dem ersten Foto sah man, wie Vesa Levola mit einem Rucksack auf dem Rücken das Treppenhaus betrat. Der Junge sah unschuldig aus, das war sein Kapital. Vielleicht hätte man ihn die Fähre sogar allein nehmen lassen können, ohne Irma, die am Hafen auf ihn wartete, aber sicher war sicher. Das zweite Foto war durch zwei Fensterscheiben hindurch gemacht und zeigte Kaljus Wohnung. Der Idiot zog die Vorhänge nicht zu, wenn er Geschäfte abwickelte. Auf dem Foto hockte Kalju mit einer Zigarette im Mundwinkel am Tisch und zählte Geld, und der junge Levola saß ihm gegenüber. Auf dem dritten Foto nahm Levola dann ein Paket entgegen. Das vierte Bild wäre nicht nötig gewesen, da verließ der junge Levola das Haus. Da war nur der kleine Unterschied, dass der Rucksack jetzt ein bisschen dicker aussah, und Turunen wusste auch, warum: Der Rucksack war voller Saku Gold . So hieß die estnische Biermarke, in deren Dosen Platz für alles Mögliche war.
»Und wo kommen die Fotos her?«, fragte Turunen, um Zeit zu gewinnen.
»Vom Drogendezernat der Polizei in Tallinn«, antwortete Koljakov. »Euer Mann ist neu, der Trick alt. Wie man sieht, viel zu alt.«
Turunen schluckte, und der Speichel transportierte noch eine Ahnung vom eben gekippten Wodka. Jetzt war schnelles Denken angesagt, aber das war seine Stärke. Sundström. Er würde ganz Estland Sundström in die Schuhe schieben. Turunen lachte kurz auf und warf die Fotos auf den Tisch zurück.
»Sundströms Idee«, begann Turunen. »Er vertritt die Auffassung, dass man mit den Esten weiter wenigstens kleinere Geschäfte abwickeln sollte, um sie in Sicherheit zu wiegen, gerade jetzt, wo eure Lieferungen nicht mehr über sie laufen. Aus demselben Grund mischt er sogar im Amphetamingeschäft seiner estnischen Knastbrüder mit. Ich war eher dagegen, aber er ist der Boss. Es schien mir nicht wichtig, euch über so was zu informieren. Außerdem hab ich viel um die Ohren, wie ihr euch denken könnt.«
Koljakov starrte Turunen lange nur an. Zu lange für seinen Geschmack. Dazu konnte er Koljakovs Augen nicht sehen, weil das Licht auf dessen dicken Brillengläsern tanzte. Der Mann machte ihn nervös.
»Sundström ist ein Fuchs«, sagte Koljakov schließlich. »Gar keine schlechte Idee. Trotzdem hast du mich zu informieren und mein Einverständnis für solche Extratouren einzuholen. Im voraus. Ich hasse es, so was erst hinterher herauszufinden.«
»In Ordnung«, sagte Turunen schnell. Der Schweiß lief ihm vom Hals unters Hemd, dass ihm der Rücken juckte. »Entschuldigung. War mein Fehler.«
»Und sucht euch einen anderen Ort für die Übergabe.«
»Klar«, nickte Turunen. Verdammte Scheiße, letztendlich bekam Sundström noch Pluspunkte, und er hatte den Ärger. Warum hatte er nicht gesagt, dass es seine Idee war? Er war der Fuchs. Scheiße. Er deutete auf den Fotostapel. »Und was macht die estnische Polizei damit?«
»Es gibt keine anderen Abzüge, nirgends«, antwortete Koljakov. »Die schlechte Weltwirtschaftslage macht auch vor Estlands Polizei nicht halt. Vesa Levola und Kalju Tool – so heißen sie doch, nicht wahr? – müssen sich keine Sorgen machen, solange ihr fünf Prozent vom Gewinn abführt. Tool weiß, wohin. Und von jetzt an: keine Überraschungen mehr! Ich werde über alles informiert.«
»Geht in Ordnung«, sagte Turunen und wischte sich eine Schweißperle von der Schläfe. »Mit hundertprozentiger Sicherheit!«
Koljakov lachte kurz und trocken auf, dann schüttelte er mit trauriger Miene den Kopf. »Siehst du, genau deshalb ist die Welt so ein trostloser Ort.«
»Ich verstehe nicht«, sagte Turunen, während Koljakov die Bilder aufsammelte und wieder in die Brusttasche steckte.
»Das Problem ist, dass die Dummen immer hundertprozentig sicher und die Intelligenten immer hundertprozentig unsicher sind. Darum geht auf der Welt nichts voran.«
Turunen spürte, wie er errötete. Warum, verdammt, machte ihn Koljakovs Gesellschaft so nervös? Am liebsten hätte er ihm ordentlich kontra gegeben, insbesondere weil Bregovic auch noch zu lachen anfing, aber er beherrschte sich. Es war sogar besser, den Dummen zu spielen. Dem Klugen fiel es leicht, einen Esel zu spielen, aber ein Esel würde nie den Klugen spielen können, das galt es zu bedenken. Also lachte auch Turunen über Koljakovs vermeintliche russische Weisheit und hob sein Glas. »Und wie gedenkt ihr die Grenzformalitäten zu erledigen?«, fragte er wie beiläufig.
»In Torfyanovka wird es
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