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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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und allein Sundströms Schuld war. Der Mann war ihr Schicksal, so sah’s aus, ihr Unheilsbringer und ihr Unglück, war es immer schon gewesen, noch bevor sie einander überhaupt begegnet waren. Warum hatte Sundström überhaupt nach Finnland zurückkehren müssen? Wäre er nicht zurückgekehrt, wäre alles gut.
    »Dafür wird der Dreckskerl bezahlen«, murmelte Viitasalo und trank den nächsten Schluck. »Für Sari und alles andere. Nur so kann alles gut werden, nur so.«
    Viitasalo nickte. Es klang so einfach, dass es wahr sein musste. Er trank noch einen Schluck. Erst jetzt konnte er sich gedulden und warten, bis der Geschmack des Whiskys sich im Mund ausbreitete. Der Rausch kam schnell. Viitasalo hatte schon im Restaurant eine gute Grundlage geschaffen.
    Erst jetzt bemerkte er etwas Hartes unter seinem linken Fuß. Er war auf die blonde Barbie getreten. Der Brustkorb der Puppe war eingedellt, und eines der langen Beine hatte sich gelöst und war unter seinem Gewicht der Länge nach gerissen. Viitasalo hob die Teile der beschädigten Puppe auf. Katri nannte Liina sie, wenn er sich recht erinnerte. Er versuchte, Katris Bein in den Körper zurückzustecken, machte den Riss aber nur noch größer, als er es mit Gewalt versuchte. Auch der Brustkorb wurde nicht wieder so glatt wie vorher, obwohl er die Puppe zwischen die Daumen nahm und den Oberkörper mit aller Kraft nach hinten bog.
    »Was zum Teufel machst du da? Das ist Liinas Lieblingsspielzeug – oder war es.«
    Viitasalo hob den Blick. Sari stand vor ihm. Er schaute auf seine Hände und begriff, was Sari denken musste: dass er mit aller Kraft das Spielzeug seiner Tochter kaputt machte. Er ließ die Barbiepuppe los, und sie fiel auf den Tisch und rollte von dort auf den Boden. Nur das gerissene Bein blieb neben seinem Whiskyglas liegen.
    »Ich wollte nur …« Mehr brachte er nicht heraus.
    »Du blöder Arsch«, sagte Sari. »Du liebst mich nicht, und du liebst Liina nicht. Und dann wunderst du dich, dass ich dir nichts erzähle. Du hast noch nie an jemand anders als an dich selbst gedacht. Schau in den Spiegel, und überleg dir, was du da siehst!«
    Dann war sie wieder weg.
    Es gab nur noch ihn selbst, das Whiskyglas, die Whiskyflasche und das kaputte Spielzeug. Und die ungeweinten Tränen, die sich in ihm aufgestaut hatten. Jetzt bräuchten wir wieder ein Wunder, wie damals, als du im Toto gewonnen hast. Sari hatte recht. Genau das bräuchten sie jetzt. Ein Wunder. Das Wunder aller Wunder diesmal.
    Viitasalo sah sich selbst im Widerschein des Fernsehbildschirms: ein großer Mann, in sich zusammengesunken wie ein Schneemann, kurz bevor er in sich zusammenfiel.
    Du hast noch nie an jemand anders als an dich selbst gedacht.
    »Damals hab ich an uns gedacht«, flüsterte Viitasalo. »Ich dachte daran, was für uns alle das Beste war. Für die ganze Familie.«
    Die Haltung des großen dunklen Mannes im Fernseher besserte sich so wenig wie sein Zustand. Hatte er nun an Sari und Liina gedacht oder in erster Linie an sich? Hatte er überhaupt an etwas gedacht, als er die Sporttasche nahm, die Sundström unter der Bank des Passagierterminals im Westhafen zurückgelassen hatte?
    Draußen trommelten die ersten Tropfen aufs blecherne Fensterbrett. Es hatte wieder angefangen zu regnen.
     
    Damals hatte es auch geregnet. Es war ein Frühlingsregen gewesen, der den letzten Winterdreck von den Straßen der Stadt spülte. Er hatte durch die Fenster des Passagierterminals gesehen, wie draußen die Blaulichter von gleich drei zivilen Polizeifahrzeugen pulsierten. Viitasalo hatte die Faust noch fester um die Griffe der Tasche geschlossen. Sundström hatte den Kragen aufgestellt, war die Treppe hinuntergegangen und in das erste Taxi in der Reihe geschlüpft.
    Als das Taxi an dem roten, von Polizeifahrzeugen umstellten Opel Corsa vorbei und außer Sichtweite gewesen war, hatte Viitasalo begriffen, dass er die Sache nicht mehr rückgängig machen konnte. Dazu war es zu spät. Da hatte er zum ersten Mal das Gefühl gehabt, in der Falle zu sitzen.
    Als die Tränen kamen, wurde es ein unaufhaltbares, unkontrollierbares, verrotztes Weinen, das in langen Wellen aus ihm herausbrach.
    Draußen wurde der Regen immer heftiger. Bald würde es wie aus Kübeln schütten.

II
DEZEMBER

 
    Für Turunen war es lächerlich einfach, Sundström ein Handy in die Zelle schaffen zu lassen. Ebenso leicht war es, ihn in dem Glauben zu lassen, dass er immer noch die Fäden in der Hand hielt. Sundström

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