In der Falle - Leino, M: In der Falle

sein Magen ein dankbares Knurren von sich. Diesmal würde er nicht bis zum Morgengrauen auf der Hoteltoilette sitzen und sich mit zwei Händen übelste Treibhausgase aus dem Leib pressen.
    »Gut. Und wo wir bei der Wahrheit sind, hast du mal daran gedacht …« – Bregovic lehnte sich nach vorn – »… wozu wir eigentlich Sundström noch brauchen?«
    Turunen schaute Bregovic in die Augen. Das musste ein Test sein. Sundström hatte Bregovic aufgetragen, ihn zu testen. Vertraute er ihm doch nicht?
    »Er ist das Hirn der ganzen Sache«, sagte er. Er musste höllisch aufpassen.
    Bregovic lachte. Er lehnte jetzt schon halb über dem Tisch. »Ein Hirn im Gefängnis nützt uns gar nichts«, sagte er kopfschüttelnd. »Ich hab den Scheißkerl übrigens noch nie gemocht. – Und du?«
    »Geschäft ist Geschäft«, antwortete Turunen. Er musste seine Schritte vorsichtig setzen, aber er durfte auch nicht so tun, als wäre Sundström sein Busenfreund und ein feiner Kerl, auf den er nichts kommen ließ. So etwas hätte ihm nicht mal Sundströms Mutter abgenommen, wenn er eine gehabt hätte. Hatte er aber nicht: Sundström war in verschiedenen Waisenhäusern in Finnland und Schweden aufgewachsen.
    »Wieso hab ich nur das Gefühl, dass du mich nicht magst?«, fragte Bregovic und breitete in einer theatralischen Geste die Arme aus. »Hat es damit zu tun, dass ich Serbe bin?«
    »Nein«, beeilte sich Turunen zu sagen. »Ich hab keine Vorurteile euch … euch Serben gegenüber. Gegenüber niemandem eigentlich.«
    »Na, dann kommen wir ja voran, wir beide«, rief Bregovic lachend. »Ich hab nämlich auch keine Vorurteile.«
    »Wie gut«, sagte Turunen und überlegte, wie viel Bregovic wohl getrunken hatte. Er hatte in der Anspannung nicht darauf geachtet. Bregovic war vor ihm gekommen, und Ali Baba war geschäftstüchtig. Der Serbe musste einigermaßen betrunken sein. Er lachte jetzt nicht mehr.
    Als Turunen sich eine Zigarette ansteckte, sah er, dass sich der Gesichtsausdruck des Serben verhärtete. »Ich hasse alle gleich«, sagte er, und man sah, dass er es ernst meinte. Turunen schluckte. Sundström hatte als Verbindungsmann in Schweden einen Irren angeheuert.
    »Weißt du, warum?«
    »Keine Ahnung«, sagte Turunen.
    Bregovic zeigte mit den Zeige- und Mittelfingern auf die eigenen Augen und drehte sie dann nervtötend langsam nach vorn, bis sie auf die Augen seines Gegenübers zeigten. »Weil ich alle durchschaue«, flüsterte der Serbe. »Dich hab ich schon durchschaut, als wir uns in dieser versifften Bretterbude in Lappland getroffen haben. Und weißt du, was das für dich bedeutet?«
    »Nein«, sagte Turunen, der sich jetzt hundertprozentig sicher war, dass Bregovic über seine Winkelzüge Bescheid wusste. Er war nur hoffentlich nicht so irre, dass er gleich an Ort und Stelle … Turunen warf einen schnellen Blick zur Seite. Bis zur Tür würde er es nicht schaffen, aber vielleicht reichte die Zeit, um an der Nachbarnische vorbei in die Küche zu stürmen und sich das erstbeste Messer zu schnappen. Oder eine Bratpfanne, wenn sich kein Messer fand.
    »Gutes bedeutet das für dich«, sagte Bregovic mit einem schallenden Lachen.
    Turunen wagte es wieder zu atmen.
    »Ich hab gesehen, dass du Sundström genauso hasst wie ich«, sagte Bregovic. »Ich mag dich nicht, und du magst mich nicht, aber noch weniger mögen wir beide Sundström. Und das bedeutet, dass wir beide gemeinsame Sache machen.«
    »Gemeinsame Sache machen?«
    »Wir schnappen uns die ganze erste Ladung, wir beide, du und ich.« Bregovic zeigte erst auf Turunen und dann auf sich, diesmal nur mit dem Zeigefinger. »Wir manövrieren Sundström, die Esten und die Russen aus. Nur die erste Ladung, ich scheiß auf seine ›längerfristige Zusammenarbeit‹. Wenn du hungrig bist und einmal im Leben die Gelegenheit hast, den ganzen Käse aufzuessen, warum sollst du dich dann mit einer dünnen Scheibe zufrieden geben? Und ›längerfristig‹ immer noch mal mit einer dünnen, aber nur wenn du ordentlich isst und das Tischtuch nicht schmutzig machst? – Na, was sagst du?«
    »Ich mag keinen Käse, aber wenn wir für einen Augenblick so tun, als wäre ich interessiert: Wie stellst du dir die Sache vor?«, fragte Turunen.
    »Nur wir beide wissen, dass Sundström aus dem Spiel ist. Wie wär’s, wenn wir die Ladung so verschwinden lassen würden, dass die Russen glauben müssen, Sundström und die Esten hätten sich zusammengetan und sie verarscht.«
    Turunen war verblüfft.