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In der Falle - Leino, M: In der Falle

In der Falle - Leino, M: In der Falle

Titel: In der Falle - Leino, M: In der Falle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Leino
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kolumbianischen Drogenkartell Luftabwehrgeschütze und U-Boote geliefert und damit nahtlos an die alten Traditionen der Sowjetära angeknüpft. Ein Unterschied zwischen Staat und Mafia sei eindeutig nur in der Motivlage auszumachen: Die Aktivitäten der alten Sowjetunion seien gegen den Kapitalismus und insbesondere die USA gerichtet gewesen, die man sozusagen von innen her zu zersetzen versuchte, und der Mafia gehe es einzig und allein um Geld und Macht. Der neue russische Staat sei schwerer zu durchschauen, aber von dessen Nähe zur Mafia sei ja an anderer Stelle bereits die Rede gewesen.
    Als Viitasalo den Ordner schloss, blieb ihm ein fader Nachgeschmack. Die Autoren hatten recht, wenn sie auf die gemeinsamen Interessen von Verbrecherorganisationen und Staaten hinwiesen. Was ihm nicht gefiel, war, dass sie dabei mit dem Finger ausschließlich nach Osten zeigten. Warum stand in dem ganzen Ordner nichts über die USA? Inwieweit waren die Aktivitäten der USA in Afghanistan akzeptabler als die Russlands? Hatte das Stillschweigen darüber damit zu tun, dass das Project Millennium von CIA, FBI, Interpol und Europol gemeinsam gestartet worden war?
    Viitasalos private Meinung war, dass überall auf der Welt die Staaten dieselben Interessen hatten wie die Verbrecherorganisationen: Geld und Macht. Der Unterschied war nur, dass die Staaten ihre Aktivitäten legitim erscheinen lassen wollten und deshalb entsprechend verbrämten. Vordergründig ging es ihnen um die Wiederherstellung der Demokratie, die Befreiung von Tyrannenwillkür, um Menschenrechte, Sicherheit, das Wohl der ganzen Weltgemeinschaft und so weiter und so fort. Und in Wahrheit ging es um Geld und Macht. Immer.
    Viitasalo schlug noch einmal den Bericht auf, der ihm keine Ruhe ließ. Es ging darin um die Heroinmärkte in Europa. Die einschlägigen Diagramme zeigten, dass die Umsätze auf den Drogengroßmärkten in Europa in den letzten drei Jahren rückläufig waren, und zwar insbesondere, was Heroin anging. Die Situation entsprach der auf dem finnischen Markt, die Tuomisto so gut gefiel und die er auf die gute Arbeit der Polizei und des Zolls zurückführte. Zwischen den europäischen Zahlen und den Großeinkäufen der Russen in Afghanistan gab es eine offensichtliche Diskrepanz, und darauf ging der Bericht sogar ein, allerdings nur mit einer Frage: Wenn die Russen allein in den Jahren 2006 und 2007 80 Prozent der afghanischen Heroinproduktion aufgekauft hatten, warum waren die europäischen Märkte dann nicht voll von dem Zeug? Auf den Heroinmärkten der restlichen Welt war ein solcher Rückgang nicht einmal in Ansätzen zu erkennen. Und das war merkwürdig.
    Viitasalo blätterte den Europateil noch einmal durch. Eine Antwort auf die gestellte Frage fand sich nicht. Nicht einmal Vermutungen darüber, was die Märkte hatte versiegen lassen. Und das war noch merkwürdiger.
    Viitasalo warf einen Blick auf die Uhr. Er hatte nur noch dreieinhalb Stunden Zeit für wenigstens eine Mütze Schlaf. Wenn er es sich recht überlegte, war die Sache mit Sari doch noch erstaunlich gut ausgegangen. Wieder einmal. Für einen kurzen Augenblick dachte er sogar daran, vorsichtig die Schlafzimmertür aufzumachen und nachzuschauen, ob die beiden schliefen. Er gab den Gedanken auf, als ihm Saris Worte wieder einfielen. Ich durchschaue dich. Zum ersten Mal begreife ich, was du in Wirklichkeit bist.
    »Hoffentlich nicht«, sagte er zu sich selbst. »Hoffentlich auch sonst niemand.«
    Als Viitasalo sich einen Augenblick später auf dem Sofa ausstreckte, bereute er, dass er, was das Sofakissen betraf, so rabiat geworden war. Die blanke Lehne fühlte sich unter dem Nacken eckig an und hart.

 
    Die Uhr zeigte erst fünf, als am Morgen Vesas Diensthandy klingelte. Der Anrufer war Turunen selbst, und die Botschaft war kurz: Sein Urlaub war vorbei, es gab einen neuen Auftrag.
    »Macho holt dich ab«, sagte Turunen. »Punkt sechs.«
    »Zu Hause?«
    »Ja. Er holt erst Irma und bringt euch dann zusammen in den Westhafen. Ihr nehmt die Fähre um sieben Uhr dreißig.«
    Turunen legte auf, bevor Vesa noch etwas sagen konnte. Er fand tastend den Knopf der Leselampe und setzte sich auf. Er war müde. Er hatte nicht gut geschlafen. Er war wieder auf der Baustelle gewesen und mindestens dreimal von seinem eigenen Schreien aufgewacht. So oft war es ihm jedenfalls bewusst gewesen. Hoffentlich hatte Mutter ihn nicht gehört.
    Vesa zwang sich aufzustehen und schleppte sich ins Badezimmer. Es war das

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