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In der Gewalt des Jadedrachen

In der Gewalt des Jadedrachen

Titel: In der Gewalt des Jadedrachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Morell
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Atems immer mehr geschwunden. Und als er sie geschickt durch die Menge führte, ging sie halb willig, halb zögernd mit. In diesem Stadtteil von Hongkong lief das Leben noch bunter, geballter und lauter ab. Forrester legte den Arm um sie, um sie von einer Gruppe schwatzender Chinesen wegzuziehen, und ließ ihn dann ganz selbstverständlich um ihre Schultern liegen.
    Als sie am Tin Hau Tempel vorbeikamen, der für seine Wahrsager bekannt war, hielt ihn Lana fest, als er weitergehen wollte. „Warte, ich möchte mir die Zukunft vorhersagen lassen.“
    „Dazu brauchst du keinen Wahrsager zu bemühen. Die Zukunft kann ich dir auch flüstern. Und die ist bestimmt nicht rosig, wenn du weiter Probleme machst.“
    Sie schnaubte nur etwas Unverständliches und ging von ihm fort zu einem der Priester, der Bambusstäbchen auswarf und den Leuten gegen ein gewisses Entgelt die Deutung sagte. Sie hatte etwas ganz Bestimmtes im Sinn. Sie wollte eine positive Weissagung von Glück und einem gut aussehenden, dunkelhaarigen Mann, der in ihrem zukünftigen Leben eine bedeutsame Rolle spielte. Wenn der Priester auch nur einen Funken Verstand besaß, dann sagte er ihr nach einem Blick auf Forrester genau das voraus. Und zwar laut genug, dass dieser es auch hörte.
    Lana wollte sich soeben in der Reihe der Wartenden anstellen, als einer der Wahrsager auf sie zutrat.
    „Miss wollen die Zukunft gesagt bekommen?“
    Lana, angenehm überrascht, dass sie nicht warten musste, nickte. „Ja.“
    „Bitte mit mir kommen.“ Er nahm Lana gegenüber in einer ruhigen Ecke Platz und warf einen kurzen Blick auf Forrester, der hinter ihr stand und sie gegen die andrängenden anderen Leute abschirmte. Forrester sah sich ständig um, scannte die Gegend, die Menschen. Lana zupfte an seiner Jacke. „Hör endlich auf, den Cop rauszukehren“, zischte sie ihm zu, als er sich zu ihr runterbeugte. „Setz dich zu mir.“
    Forrester warf ihr nur einen tadelnden Blick zu, dann widmete er sich wieder der Beobachtung der Umgebung. Lana verstand seine Sorge, aber im Moment wollte sie eine rosige Zukunft geweissagt haben.
    Der Priester schüttelte die Bambusstäbchen und warf. Dann studierte er die Formation, in der sie aufgekommen waren. Dabei wurde sein Gesicht zunehmend ernster.
    Lana starrte neugierig abwechselnd auf die Stäbchen und in sein Gesicht.
    Er schüttelte den Kopf, warf die Stäbchen abermals. Dann ein drittes Mal.
    Lana wurde immer ungeduldiger. „Was ist denn?“ Der Mann sollte jetzt schon längst eine passende Bemerkung über Liebe, Glück und Sonnenschein, einen treuen Mann und den ganzen restlichen romantischen Quatsch von sich gegeben haben. Stattdessen machte er ein Gesicht, als würde er ihre Bankauszüge lesen.
    Endlich hob er den Kopf. „Nicht gut, Miss. Gar nicht gut.“
    „Warum denn nicht?“
    „Sie haben die Geister beleidigt, Miss.“
    Lana schluckte unbehaglich.
    „Na also“, hörte sie von hinten Forrester murmeln. „Das sieht dir wieder ähnlich. Nicht mal die Geister sind vor dir sicher.“
    Der Priester sah aufmerksam auf die Stäbchen. „Gar nicht gut, Miss. Ich sehe hier einen hungrigen Geist.“
    „Einen was?“
    „Eine ruhelose Seele, der zu Lebzeiten Unrecht angetan wurde.“
    „Ein Toter?“
    „Ein Toter, der keine Ruhe findet.“
    Lana sah schnell hoch zu Forrester. Der musterte den Priester aus schmalen Augen. „Ein chinesischer Aberglaube. Unsinn. Nichts weiter.“
    Der Wahrsager strich mit dem Finger über die Stäbchen. „Kein Aberglaube. Es naht der 14. Tag des siebten Mondmonats. Die Geister dürfen für eine Woche die Hölle verlassen. Und der hungrige Geist ist zornig, muss besänftigt werden“, sprach er weiter. „Aber das wird schwierig. Sehr schwierig, denn sobald der Drache den Kopf hebt, wird sein zorniges Feuer alles und jeden zerstören.“
    „Der Drache …?“ Lana war blass geworden.
    „Eine Frau soll ihren Mann ehren, damit er nicht als hungriger Geist wiederkehrt. Treulose Frauen werden vom Drachen verschlungen. Der hungrige Geist wird …“
    „Schluss damit!“ Forrester fuhr dazwischen, packte den Wahrsager am Gewand und zerrte ihn hoch, bis das Gesicht des viel kleineren Chinesen dicht vor seinem war. „Schluss jetzt mit dem Spiel! Wer, zum Teufel, hat dich angestiftet? Wer? Wo ist er?“
    Der Chinese wand sich unter seinem Griff, aber Forrester ließ nicht locker, schüttelte ihn. „Los, red schon, sonst bist du der nächste hungrige Geist!“ Er ließ einen Schwall

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