In der Glut der Leidenschaft
sich Sehnsucht ab, als er kostete. Michaela wusste, dass er seine Familie vermisste, und fühlte mit ihm. Die Seinen waren in Amerika zum Glück alle am Leben, wussten jedoch nicht einmal, ob er noch lebte oder tot war.
Er schluckte den Bissen und packte den Kuchen wieder ein. »Vielen Dank, Michaela.«
Lächelnd schob sie ihm eine Fleischpastete zu. »Iss erst einmal.« Er gehorchte und aß mit so viel Anstand, dass Michaela an die Bemerkungen der Ballgäste denken musste. Sie hatten die Kolonisten als ungeschliffene Barbaren bezeichnet. Michaela fand jedoch, dass sie eine Stärke und Würde besaßen, die kaum ein Engländer vorweisen konnte. Bei jedem Zusammentreffen mit Nickolas wuchs ihre Bewunderung für ihn. Die britische Obrigkeit hatte ihn schrecklich behandelt, ins Gefängnis gesteckt und zum Dienst in der Marine gezwungen. Auf seinem Rücken konnte man die Meinung der Engländer über den Kommandanten der Kolonisten ablesen. Seit zwanzig Jahren kämpfte er für die Freiheit der Kolonien von britischer Herrschaft. Nach allem, was Michaela wusste, hatten sich seine Leute von keiner einzigen Sanktion der Krone von ihrem Ziel abbringen lassen.
Solches Durchhaltevermögen musste man einfach bewundern. Das Mindeste, was sie als Hilfe anbieten konnte, waren Spionagedienste. Michaela wünschte sich ebenfalls Freiheit, was sich bei ihr weniger auf die Zwänge der britischen Gesellschaft bezog, sondern eher die Hoffnung auf einen Neuanfang war. Sie hatte mit angesehen, wie grausam sich ihre Landsleute in Marokko, Schwarzafrika und Indien aufgeführt hatten. Sie hatte Tyrannei und Grauen erlebt und das Verlangen, jeden Winkel dieser Erde zu beherrschen. Sogar ihre eigenen Landsleute wurden wie Aussätzige behandelt, wenn sie kein Geld besaßen und sich auch keines verschaffen konnten. Michaela war nicht viel besser dran als die Straßenkinder. Sie hatte zwar ein Bett und Essen, das schon, doch sie besaß keine Familie und hatte auch kein Geld. Sie war wie alle anderen gefangen.
Wir machen die ganze Welt zu England, hatte Germain gesagt.
War für ein Unsinn!
Michaela betrachtete die Spionage für die amerikanischen Rebellen als ihre ganz persönliche Rache an den Männern, die sie entehrt hatten. Und diesmal hatte sie sich geschworen, siegreich aus dem Kampf hervorzugehen. Dafür würde sie freudig sterben - oder töten.
»Hast du auch Wein mitgebracht, Mädchen?«
Sie holte eine Flasche aus dem Sack und sah sich nach Bechern um, fand keine und zog den Korken aus dem Hals. »Wir trinken wie die Wikinger«, sagte sie und setzte die Flasche an die Lippen.
Nickolas lächelte, lehnte sich zurück und wischte sich über den Mund. »Du würdest gut zu meinen Töchtern passen«, sagte er voll Zuneigung.
»Das schmeichelt mir«, erwiderte sie, stellte die Flasche auf den Tisch und schob sie ihm zu.
Nickolas runzelte die Stirn. Michaela war manchmal sehr verschlossen und entrückt. Dabei war es für einen jungen Menschen nicht gut, seine Gefühle dermaßen zu verbergen, vor allem nicht für eine Frau. »Michaela, wie soll ich dir helfen, wenn du mir nicht erzählst, was dich so bedrückt ?«
»Es ist unwichtig.« Seit Jahren lebte sie mit der Schande, die sie nicht durch eine Erzählung wiedererwecken wollte. »Außerdem bin ich hier, um dir zu helfen.« Sie griff über den Tisch und drückte herzlich seine Hand. »Diesmal habe ich wichtige Informationen.«
»Du hast immer wichtige Informationen. Habe ich dir schon einmal gesagt, wie dankbar wir dir sind?«
»Ja, zu meinem größten Ärger«, wehrte sie ab und verdrehte die Augen. »Also, du musst dich mit deinem Mann in Verbindung setzen und ihn mit dem nächsten Schiff losschicken, das nach Westen segelt. Wenn ich mich nicht irre ...«
»Das tust du nie.«
»In vierzehn Tagen stechen Schiffe zu den Kolonien in See und bringen siebentausend Soldaten ...«
Nickolas hörte aufmerksam zu und merkte sich jedes Detail. Andere mochten in Michaela eine zurückhaltende Frau sehen, die sich etwas ungeschickt anstellte. Er kannte sie jedoch besser.
Michaela Denton war die wichtigste Waffe der Kolonisten, allgemein als »Schutzengel« bekannt. Es war geradezu unheimlich, wie scharf sie auf alle Kleinigkeiten achtete und aus scheinbar zusammenhanglosen Wortfetzen Informationen heraushörte. Ihre Warnungen, die manchmal nur auf Gerüchten basierten, hatten schon unzähligen Menschen das Leben gerettet und sie der Freiheit ein Stück näher gebracht. Er verdankte ihr sein
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