In der Glut der Leidenschaft
sich, schlug nach ihm und wandte sich von seiner fauligen Alkoholfahne ab.
Nach einem Schlag mit dem Sack gegen seinen Kopf kam sie frei und hetzte weiter, während er hinter ihr lachte. Atemlos blieb sie stehen, versteckte sich eine Weile, ging weiter und zog ihr Messer aus dem Stiefel, als ein anderer Mann versuchte, sie zu berauben. Hier, mitten im East End, hielt sie sich dicht an den Hauswänden, zählte die Gebäude und verschwand schließlich zwischen Zweien in einem schmalen Durchgang. Michaela blickte sich immer wieder um, ob sie verfolgt wurde. Durch einen Spalt in einem Holzzaun betrat sie einen Hinterhof, ging zum Kutschenhaus und blieb hinter Büschen, Wagen und Pferden in Deckung. Im dunklen Stall lehnte sie sich an die Wand, warf einen Blick ins Freie und umklammerte fest das Messer. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Erst jetzt wurde ihr klar, wie gefährlich ihr Vorhaben war.
Angst brachte gar nichts, und schließlich machte sie so etwas nicht zum ersten Mal. Sie wartete, bis ihr Herz wieder ruhiger schlug, holte tief Atem und löste sich von der Holzwand. Der Mantel blieb an einem Nagel hängen und riss ein Stück auf. Mit dem Rücken stieß sie gegen die verfallene Wand. Heu fiel von oben herunter, und Michaela wartete nur darauf, dass ihr das Dach auf den Kopf krachte. Ein passendes Ende, dachte sie.
Eine Hand presste sich auf ihren Mund. Sie wurde gegen eine harte Brust gedrückt. Blitzartig wehrte sie sich, glitt zu Boden, wirbelte herum und hielt dem Mann das Messer an die Kehle.
»Sehr gut, Schätzchen«, sagte er leise.
Sie seufzte gereizt. Damit hätte sie rechnen sollen. Der Kerl schlich sich gern an sie heran.
»Hast du hier irgendwo mein Herz gesehen, alter Mann?« Sie drückte ihm die Messerspitze gegen das Kinn. »Ich habe es vermutlich verloren.«
Lächelnd drückte er ihr die Pistole in die Seite, »Wen nennst du alt?«
Sie hob das Knie an seinen Schritt. »Dich mit deinem grauen Haar« erwiderte sie und betrachtete seinen silbergrauen Kopf.
Er richtete den Pistolenlauf zur Decke und wich zurück. »Wo ist deine Pistole, Mädchen?«, fragte er besorgt. Er hatte schon zu viel in seinem Leben gesehen.
»Die habe ich auch verloren.«
»Ich habe noch eine, falls du sie brauchst.«
Sie schüttelte den Kopf. Er benötigte die Waffe dringender. Schließlich war er als Rebellenführer im Feindesland.
»Komm, du siehst hungrig aus.«
»Wie sieht man hungrig aus?«
Er wandte sich kopfschüttelnd ab. »Blass.«
Trotz seiner fast sechzig Jahre hielt er sich kerzengerade und hatte breite Schultern. Er sah hinreißend aus, und Michaela fragte sich, wie viele Herzen er wohl in seiner Jugend gebrochen hatte. Sie wartete neben ihm, während er sich bückte und im Heu nach dem eisernen Ring einer Falltür suchte und sie öffnete. Er stieg in die Dunkelheit hinunter, Michaela folgte ihm, und sobald sie den Lehmboden erreichte, stieg er noch einmal nach oben und schloss die Tür.
Sie sah sich in der vertrauten Umgebung um. Die Liege war für seine Größe nicht lang genug. Außerdem gab es einen Tisch und zwei Stühle. »Wir müssen etwas für deine Bequemlichkeit tun, Nickolas.«
»Ich habe schon schlimmer gehaust«, wehrte er lächelnd ab.
Trotz der Bitterkeit in seiner Stimme stellte sie keine Fragen. »Du kommst nur her, wenn dir jemand auf den Fersen ist. Wirst du verfolgt?«
Er setzte sich an den Tisch, auf dem eine Kerze flackerte. Michaela ließ sich auf den zweiten Stuhl sinken.
»Nein, aber man weiß nie. Wie bist du weggekommen?« Er wusste, dass sie zur Tarnung tagsüber in einer Suppenküche arbeitete, was ihrem Onkel wenig gefiel.
»Ich habe Laudanum in den Weinbrand getan.«
»lieber Himmel, Mädchen!«
»Tadele mich nicht, Nickolas«, erwiderte sie. »Ich weiß schon, was ich mache. Es war nicht so viel, dass es jemandem schaden würde, aber für einen guten Schlaf ausreichend. Wolltest du nicht an deinem Akzent arbeiten ?« Er kam aus Carolina, was man ihm anhörte.
»Das habe ich, Mädchen«, versicherte er und sah zu, als sie den Sack auf den Tisch legte und öffnete.
»Agnes hat gebacken, und ich habe ihr etwas gemaust«, erklärte sie lächelnd und legte Fleischpasteten, einen Laib Brot und einen Zimtkuchen auf den Tisch.
Wenn Nick lächelte, wirkte er um Jahre jünger. »Meine Frau hat mein Herz mit solchem Backwerk erobert«, sagte er, achtete nicht auf das Fleisch und das Brot und packte den Kuchen aus, als wäre er aus purem Gold. In seinem Gesicht malte
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