In der Glut der Leidenschaft
Gasse. Michaela riss die Augen weit auf und klammerte sich am Sattelhorn fest, als das Pferd über leere Kisten sprang. Der Ritt führte sie durch eine zweite Gasse, über eine breite Straße hinweg und erneut in eine enge Passage hinein. Michaela stockte der Atem, während Rein den Hengst immer weiter von den Soldaten weglenkte und der Rappe keinen Moment langsamer wurde.
Rein kannte sich in diesen Straßen offenbar besser aus als sie und zögerte während der Flucht keinen Moment. Und sie fragte sich, wie oft Rein Montegomery schon um sein Leben geritten war.
Lady Buckland trat an die Kutsche heran und blickte zu ihrem Kutscher hoch. Der kleine Mann schwankte auf seinem Sitz.
»Kannst du mich wenigstens lebend nach Hause bringen, Clancey?«
Er nickte, vergaß die Ginflasche in seiner Hand und winkte damit, ehe er sie schnell versteckte.
Katherine warf ihm noch einen zornigen Blick zu, griff nach dem Halteriemen und zwängte sich mit dem lästigen Kleid in die Kutsche. Sie vermisste ihren Pagen, doch diese Ausgabe sparte sie sich. Nachdem sie an die Decke geklopft hatte, schaffte es Clancey, nach den Zügeln zu greifen und das Gespann in Bewegung zu setzen. Der alte Kerl hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Lampe anzuzünden, doch Katherine kümmerte sich nicht darum, sondern schloss die Augen und genoss das gleichmäßige Schwanken der Kutsche. Ihr Körper war von dem Liebeserlebnis erhitzt, und sie sehnte ihren Liebhaber herbei, damit er sie in der dunklen Kutsche verwöhnte. Wie herrlich verrucht, dachte sie noch, ehe sie einen Schmerz am Hals spürte. Sie begriff gar nicht, was geschah, als der Schmerz schon von einem Ohr zum anderen quer über ihre Kehle raste. Der Atem stockte ihr, als die Lungen sich mit Blut füllten. Sie zuckte krampfhaft, während sie versuchte, Luft zu bekommen, und presste die Hand auf die offene Wunde. Entsetzt starrte sie auf ihre blutigen Hände.
O Gott, o Gott, dachte sie. Hilf mir! Hilf mir!
Doch es gab keine Hilfe. Und während die Kutsche unter einer Straßenlaterne hindurch fuhr, erblickte sie ihren Mörder, der entspannt die Arme verschränkt hielt und zusah, wie sie starb.
Sekunden später schoss der Mörder durch die Decke der Kutsche, und als der Kutscher auf die Straße fiel und von den Rädern zermalmt wurde, warf der Mörder das Messer in den blutgetränkten Schoß seines Opfers.
Kapitel 11
Rein presste Michaela an sich. Die Verfolger waren unermüdlich, ein Anzeichen dafür, dass sie seinen Tod und nicht bloß sein Medaillon wünschten. Und Michaela war in die Schusslinie geraten. Die Soldaten waren ihnen dicht auf den Fersen, als Rein sein Pferd einen steilen Abhang hinunter lenkte und sich unter einer Brücke versteckte. Er lauschte, während die Männer oben weiterritten. Die Brücke erbebte unter dem Donnern des Hufschlags.
Erst jetzt betrachtete er Michaela. Unter der Mütze hervor liefen trotz der Kälte Schweißtropfen über ihre Schläfe. Sie hatte den Kopf zurückgeneigt und blickte nach oben, ohne darauf zu achten, dass schmutziges Wasser auf ihr Gesicht tropfte. In ihren Augen sah er keine Angst, nur Entschlossenheit, und er bewunderte sie dafür. Die meisten Frauen hätten entsetzliche Angst ausgestanden. Vielleicht begriff sie gar nicht, wie gefährlich ihre Ausflüge in der Dunkelheit waren.
»Warum treibt Ihr Euch zu dieser späten Stunde im East End herum, Michaela?«
Sie sah ihn einen Moment an, ehe sie antwortete. »Vermutlich habt Ihr schon erraten, dass niemand weiß, dass ich nicht wie ein braves kleines Mädchen daheim im Bett liege.«
Seine finstere Miene hellte sich nicht auf. »Allerdings.«
»Zur größten Enttäuschung meines Onkels arbeite ich in einer Suppenküche.«
Er spürte, dass sie log. »Ihr kamt nicht aus einer Küche für Obdachlose, Mädchen.« In dieser Gegend gab es gar keine.
Sie warf ihm einen beleidigten Blick zu. »Nennt Ihr mich eine Lügnerin?«
»Ja, noch dazu eine unverschämte.«
»Ich werde keine Zeit damit verschwenden, Euch zu überzeugen.« Sie deutete auf die Flecken auf ihrem Mantel und zeigte ihm die fettigen Handschuhe.
Rein glaubte ihr noch immer nicht, doch vielleicht sagte sie tatsächlich die Wahrheit. Fest stand, dass mehr als eine Strafpredigt ihres Onkels auf sie wartete, sollte sie jetzt ergriffen werden, und Rein wollte keinesfalls, dass sie noch einmal geschlagen wurde.
»Ich bringe Euch nach Hause und in Eure Gemächer, aber...«
»Ich brauche Eure Hilfe
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