In der Glut der Leidenschaft
Leben, und sein Land konnte sie gar nicht angemessen entschädigen. Michaela befand sich in einer Position, in der sie viel genauere Informationen als andere beschaffen konnte. Betrachtete er Michaela mit ihrem rötlichen Haar und den grünen Augen, sah er seine eigenen Töchter vor sich. Ständig fürchtete Nickolas um ihre Sicherheit. Aus diesem Grund hatte er die Hilfe eines alten Freundes erbeten.
Sie lehnte sich sichtlich besorgt zurück.
»Was ist denn?«
»Gar nichts«, wehrte sie ab.
»Michaela«, warnte er, »geh kein unnötiges Risiko ein. Das Treffen beim Ball war schon gefährlich genug.«
Sie wehrte sich gegen die Erinnerung an jene Nacht, weil sie nicht an Rein und seine Küsse denken wollte, stand seufzend auf und rückte Mütze und Schal zurecht. Wenn sie noch eine Nacht nicht schlafen konnte, weil sie zusätzlich zu den seit drei Jahren quälenden Albträumen auch noch an Rein dachte, war sie nutzlos für die Menschen, die sich auf sie verließen. Dann konnte sie auch der Sache nicht weiter dienen.
»Ich werde das Gefühl nicht los, dass in meinem Haus irgendetwas unter der Oberfläche läuft. Onkel Atwell tut oft sehr geheimnisvoll. Normalerweise unterhält er sich weitgehend ungezwungen mit seinen Freunden, doch in der letzten Zeit...« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin mir nicht sicher, weil ich sie nur zweimal dabei ertappt habe, dass sie miteinander flüsterten.« Sie trat an die Leiter, stellte den Fuß auf die unterste Sprosse und warf einen Blick zurück. »Nächstes Mal in der Wohnung? Ich habe nichts dagegen, mich als Junge zu verkleiden.« Sie sah sich im Raum um. »Ich mag es nur nicht, dass du dich wie ein Dieb versteckst.«
»Ich bin ein Dieb«, erwiderte er lächelnd. »Oder stehlen wir die Informationen vielleicht nicht?«
»Wir begehen Hochverrat, Nickolas.«
Ihr ernster Ton erinnerte ihn daran, dass sie in viel größerer Gefahr schwebte als er. »Michaela.« Er räusperte sich und wich ihrem Blick aus.
»Was gibt es?«, fragte sie.
»Die Informationen anderer Kontaktpersonen haben sich als falsch herausgestellt.«
Sie überlegte angestrengt. Die Agenten kannten einander nicht. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, damit keiner im Fall seiner Ergreifung einen anderen verraten konnte. »Glaubst du, dass jemand bewusst falsche Informationen liefert?«
»Das, oder er arbeitet für beide Seiten.«
Ein Doppelagent! In ihren Augen blitzte es auf. »Hast du mich im Verdacht?«
»Nein«, erwiderte er geradezu beleidigt. »Du bist die Einzige, die ich ausnehme, aber ich stehe mit dieser Meinung allein da.«
Er hatte Vorgesetzte, und Michaela wusste, dass bei den Amerikanern die Mehrheit zählte. Falls es zu einer ernsten Vertrauenskrise kam, würde Nickolas gezwungen sein, alles in Betracht zu ziehen und eine Entscheidung zu treffen. Und sie würde verlieren - und für die Freiheit sterben. »Warne die anderen, Nickolas. Ich bin dir und nur dir verantwortlich.«
Er wusste sehr genau, dass das stimmte, weil sie sich mehr als einmal geweigert hatte, mit seinem Boten zu sprechen. »Ich werde dich verständigen.«
Hatte Nickolas eine Nachricht für sie, oder wollte er etwas von ihr wissen, befestigte er Tücher verschiedener Farbe an der Brücke oder schickte sie ihr zu. Auf diese Weise wusste sie, wo sie sich trafen. Sie ahnte nicht, wie er das schaffte. Von ihren Gemächern aus konnte sie den bunten Schal stets mit Hilfe des Fernrohrs ihres Vaters sehen. Und wenn sie Nickolas sprechen musste, ging sie genauso vor, obwohl es für sie schwierig war, unbemerkt auf den Dachboden und das Dach zu gelangen.
Michaela überlegte einen Moment, ob sie ihm von Rein erzählen und erwähnen sollte, dass er sie auf der Straße entdeckt hatte, als sie sich auf dem Heimweg befunden hatte, doch Nickolas hatte größere Sorgen. Sie war überzeugt, selbst mit allem fertig zu werden. Michaela sah zur Falltür hinauf und hoffte, noch vor der Dunkelheit ohne Zwischenfall nach Hause zu gelangen.
»Sei vorsichtig, Mädchen.«
»Ich werde mich auf jeden Fall bemühen.« Sie kletterte nach oben, hob die Falltür ein Stück an, warf einen Bück in den Stall und stieg endlich aus dem Versteck. Wortlos schloss sie die
Klappe wieder und fand, dass dies ein schlimmer Ort war, um dort eine Nacht zu verbringen. Aber wenigstens wechselte Nickolas von einem Haus zum anderen, von einer Wirtschaft zur nächsten. Daher wusste sie nie, ob und wo sie ihn finden würde. Lautlos durchquerte sie den Stall, presste
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