In der Glut der Leidenschaft
er heute Abend auf Arbeit verzichtet und war ins Theater gegangen.
Jetzt stand das Objekt seiner unerfüllten Lust nur wenige Meter von ihm entfernt. Ob sie mit ihrem schrecklichen Onkel oder einem der britischen Offiziere hier war, die sich in ihrer Nähe aufhielten? Er warf einen flüchtigen Blick auf die Gruppe und erkannte Cassandra Whitfield und ihre Brüder, die sich schützend um ihre dunkelhaarige Schwester drängten. Lady Coldsworth trat zu den anderen Frauen. Michaela hielt sich etwas abseits und fühlte sich unter so vielen Menschen sichtlich unwohl.
»Rein?«, fragte Christian Chandler.
Er wandte sich ihm zu und hoffte, dass seine Miene nichts verriet.
»Wer erregt deine Aufmerksamkeit? Cassandra?«
»Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Euer Gnaden«, warnte Rein. »Sonst setze ich doch ein Gerücht über dich in die Welt.«
Als Adam Whitfield ihnen Champagner anbot, achtete Rein nur auf Michaela. Er schickte Christian allein zu der Gruppe und blieb stehen, wo er war, weil er befürchtete, sich nicht ausreichend beherrschen zu können. Nicht, wenn er sich sehnlichst wünschte, zu Michaela zu gehen und sie zu küssen.
Rein lehnte mit einer Handbewegung den Champagner ab, rauchte und verschluckte sich beinahe, als Major Winters hinter Michaela trat. Er hätte gern gehört, was die beiden miteinander sprachen, und biss die Zähne zusammen, als der Mann ihr vertraulich die Hand an die Taille legte. Dann lächelte er allerdings, als Michaela von ihm fortwich und sich etwas näher zu Lady Whitfield stellte.
Michaela fühlte den Bück des Majors im Rücken, als sie ein Glas Champagner entgegennahm. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dieses sündhaft teure Zeug zu trinken, während Menschen im East End verhungerten. Rasch leerte sie das Glas.
»Danke, Randi.«
»Ich habe genau gesehen, wie er dich berührt hat. Er ist unerträglich«, sagte Cassandra mit einem Blick auf den Major »Sieh nur, wie er sich an Lady Coldsworth heranmacht.«
Wie ein gieriger Ziegenbock, dachte Michaela. »Vielleicht sollten wir sie warnen.«
»Ach nein. Sie wirkt heute Abend schrecklich ernst, findest du nicht auch? Lieutenant Ridgely könnte sie ablenken. Er ist Brandice so nahe, dass er in ihrem Kleid ersticken könnte.«
Michaela musste lachen. »Der Major hätte keine Bedenken, ihn zu vertreiben.«
»Unmöglicher Kerl. Es ist mir unbegreiflich, wie dein Onkel diesen Mann erträgt.«
»Mir auch.« Michaela versuchte, nicht zu Rein zu sehen, doch es gelang ihr nicht. Unter gesenkten Wimpern hervor ließ sie ihren Blick über seine hohe Gestalt gleiten und erinnerte sich daran, wie er sie geküsst hatte. Er sah in der schwarzen Abendkleidung hinreißend aus, und die hohen Stiefel betonten die langen Beine. Keiner der anwesenden Männer konnte sich mit ihm messen. Er wirkte exotisch wie eine Wildkatze, die jederzeit zuschlagen konnte.
»Und ich dachte schon, der Abend würde nichts weiter bieten als schlechte Schauspieler, pausenloses Gerede darüber, wie der Schutzengel erneut einen Plan durchkreuzt hat, und zu wenig Essen.« Cassandra stieß sie an. »Er ist faszinierend, nicht wahr?«
Michaela sah Cassandra fragend an.
»Montegomery«, flüsterte ihre Freundin. »So dunkel und geheimnisvoll. Und er beobachtet dich.«
»Das bezweifle ich.«
»Ist doch traurig, dass er immer abseits steht.«
»Ich glaube, Randi, er will das so.« Rein war stets dort, wo er sein wollte. Auch in deinen Armen, sagte eine innere Stimme und löste damit ein Verlangen aus, das sie bis in ihr tiefstes
Inneres verspürte.
»Ich glaube das nicht.«
Michaela hoffte, niemand würde bemerken, dass sie rot wurde.
»Er ist ein Rätsel, ein Menschenfeind, obwohl er das Recht
dazu hat.«
Michaela runzelte die Stirn. »Du solltest dich deutlicher ausdrücken, Randi. Offenbar kenne ich nicht alle Gerüchte.«
»Es geht nicht um ein Gerücht, sondern um die Wahrheit.« »Randi!«, drängte Michaela.
Cassandra hakte sich bei ihr unter. »Es ist wirklich traurig, diese schlimme Sache mit seiner Ehefrau.«
»Ehefrau?«, stieß Michaela hervor. Sie hatte einen verheirateten Mann geküsst! Es war ihr schrecklich peinlich, und es machte sie zornig auf Rein, weil er nichts erwähnt hatte.
»Er war noch sehr jung, so viel ich weiß. Man fand sie in ihrem Bett, und überall war Blut. Ihre Kehle ...«
»Ich möchte keine Einzelheiten hören.« Michaela wurde blass und bekam weiche Knie.
»Er wurde dafür eingesperrt.«
»Du willst
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