In der Glut der Leidenschaft
ansprach und die Wahrheit erfuhr, verlor ich ihre Liebe. Ich hatte sie hintergangen. Es gab keine Einladungen mehr und keine Besucher. Ihre Freunde wandten sich auf der Straße von ihr ab.«
Er spielte mit einem Messer und drehte es immer schneller auf dem Tisch.
»In ihren Augen hatte sie alles verloren, die Stellung in der Gesellschaft und das Ansehen. Sie zog sich zurück, sprach nicht mehr mit mir und verbannte mich aus ihrem Bett. Monatelang ließ ich sie gewähren und hoffte, sie würde sich besinnen, doch sie zog sich noch mehr zurück. Das machte mich zornig.« Er schlug mit der Hand auf die Messerklinge. »Am Abend ihres Todes hatten wir einen Streit.«
»Das will ich nicht hören.« Michaela sprang auf. »Sag nichts mehr.«
Rein versperrte ihr den Weg. »Du musst es hören.«
»Ich will aber nicht, nein.« Sie ertrug nichts, das ihn womöglich belastete.
Er hielt sie an den Armen fest. »Sieh mich an«, verlangte er leise. »Sieh mich an. Ich hielt sie wie jetzt dich, und ich schüttelte sie. Ich verlangte, sie sollte sich für ein Fest anziehen, das für meine Geschäftsbeziehungen wichtig war. Sie weigerte sich, und ich ließ sie so plötzlich los, dass sie zu Boden stürzte. Ich
ging, ohne ihren Schmerz zu sehen. Ich sah nur den meinen Er streichelte Michaelas Arme und führte sie zum Tisch zurück. Auch als sie nebeneinander saßen, ließ er ihre Hand nicht los. »Ich stand im Ballsaal und verhandelte über einen neuen Vertrag, als mir klar wurde, dass ich mit Shaarai zu schroff umgegangen war. Sie war von ihrer Insel direkt nach England gekommen, und sie war noch so unschuldig.«
Er strich sich über das Gesicht. Michaela hatte noch nie bei einem Menschen solche Reue gesehen.
»Ich kam heim und fand sie. Ihre Kehle war durchgeschnitten.«
»Du brauchst nicht...«, setzte Michaela an.
»Doch.« Er drückte ihre Hand fester. »Ich nahm meine Frau in die Arme und klagte wie ein Kind. Ich weinte wegen meiner Lügen und wegen meiner Gier nach Geld, das ich haben wollte, damit niemand mehr meine Herkunft infrage stellen würde. Ich brachte Shaarai ohne Vorwarnung in diese Welt.«
»Dich trifft keine Schuld an ihrem Selbstmord«, versicherte Michaela mit Tränen in den Augen.
»Begreifst du nicht? Sie führte einen zehn Zentimeter tiefen Schnitt aus. Das war keine Frau, die sterben wollte. Das war eine Frau, die sich selbst bestrafen wollte. Ich habe sie dazu getrieben.«
»Nein!« Sie sah ihm beschwörend in die gequälten Augen. »Das konntest du nicht vorhersehen. Sie allein legte solchen Wert auf ihre gesellschaftliche Position, und sie griff nach dem Messer. Du hast sie gebeten zu überleben, aber sie war nicht stark genug. Woher solltest du das wissen? Rein«, drängte sie sanft, »du kannst nicht die Last ihrer Entscheidung tragen.«
Ihr Verständnis überwältigte ihn. »Ich übernehme meinen Anteil an der Verantwortung, Michaela. Die Monate im Gefängnis waren nichts im Vergleich dazu, ihrem Vater ins Auge zu sehen und ihm zu sagen, dass seine einzige Tochter tot und warum sie gestorben war.« Er ließ ihre Hand los und strich sich durchs Haar. »Die Dienerschaft war aus Angst geflohen, aber Ransom fand einen, der meine Unschuld bestätigte, bevor ich gehängt werden konnte.« Er goss Wein in ein Glas. »Der Öffentlichkeit genügte das nicht.«
Darum kümmert er sich nicht, dachte Michaela, während sie zusah, wie er trank. Er hatte seine Frau an ungeschriebene Regeln für richtiges Verhalten verloren und störte sich nicht mehr im Geringsten daran, was die feine Gesellschaft dachte oder sagte. Er war gebrandmarkt und hielt sich von respektablen Frauen fern, damit sie nicht unter den Spekulationen über den Tod seiner Frau litten. Das war äußerst ehrenhaft. Trotzdem machte es sie zornig, dass er deshalb einsam leben musste und sie selbst zu jener Öffentlichkeit gehörte, die ihn dazu zwang.
Heute Abend hatte er ihr seine Seele geöffnet. »Es tut mir leid«, sagte sie leise.
»Wieso?«, fragte er erschöpft.
»Weil ich wie alle anderen war und dachte, du hättest deiner Frau und Katherine das Leben genommen.«
»Und ich könnte vielleicht auch dich töten?«
»Nein«, wehrte sie ab. »Das habe ich nie befürchtet.«
»Lügnerin«, erwiderte er mit einem bitteren Lächeln.
»Ich mag mich vor dir gefürchtet haben, Rein, und deine finstere Haltung hat die Gerüchte unterstützt, aber ich habe dich anders kennen gelernt.«
Das schien er ihr nicht zu glauben.
»Nur ein Mann
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