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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht
Autoren: Ruth Gogoll
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kannst.« Tina versuchte den Schock zu verkraften, daß ihre Mutter auf einmal Fragen zu ihrem Privatleben stellte.
    »Du bist sechsundzwanzig«, sagte ihre Mutter. »Ich gehe nicht davon aus, daß du noch Jungfrau bist.«
    Tina verzog die Lippen. »Ich kann dich beruhigen. Bin ich nicht.«
    »Da müßten die Männer sich auch sehr geändert haben«, sagte Dagmar. »Eine so hübsche junge Frau wie du bekommt sicherlich viele Angebote.«
    »Das stimmt«, sagte Tina. Nur daß sie an diesen Angeboten nicht interessiert war.
    »Und es ist keiner dabeigewesen?« fragte Dagmar. »Niemand, der dich auf längere Zeit fesselt?«
    Fesselt . Ja, das war der richtige Ausdruck. Geneviève fesselte sie. In mehr als einer Beziehung. »Manchmal ist es nicht so einfach«, sagte Tina.
    »Laß dich auf so etwas nicht ein.« Dagmar schien auf einmal besorgt. »Mach dich nicht zum Spielzeug für einen verheirateten Mann. Das ist es nicht wert.«
    Tina lächelte leicht. »Das tue ich nicht«, sagte sie. »Da kannst du ganz beruhigt sein.«
    »Bist du sicher?« Dagmar schaute sie mißtrauisch an. »Dein Vater war damals auch schon verheiratet, als ich mich mit ihm einließ, und ich hätte das meiner Mutter nie gesagt.«
    »Warum interessiert dich mein Privatleben auf einmal? Das hat es noch nie getan.« Tina versuchte dem forschenden Blick ihrer Mutter zu entkommen. So kannte sie sie gar nicht.
    »Warum bist du so geheimnistuerisch?« fragte ihre Mutter zurück. »Wenn du dich noch nicht binden willst, okay. Niemand versteht das besser als ich. Du bist jung. Du willst dein Leben genießen. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen.«
    Ich würde mich ja gern binden, dachte Tina. Aber so einseitig geht das nicht. »Ja«, sagte sie. »Ich will mich nicht binden. Das habe ich wohl von dir.«
    »Ich frage mich, ob das ein gutes Erbe ist, das ich dir da weitergegeben habe«, sinnierte Dagmar leicht skeptisch. »Apropos Erbe . . .«, fuhr sie fort. »Dein Großvater hat dir etwas vermacht.«
    Tina starrte sie nur sprachlos überrascht an.
    »Mir hat er nichts vermacht«, ergänzte Dagmar. »Er hat mir wohl nie verziehen. Aber ich bekomme natürlich mein Pflichtteil. Auch wenn mein Bruder dagegen ist.«
    »Dein . . . Bruder?« Tinas Familie wuchs anscheinend von Minute zu Minute.
    »Ja, dein Onkel.« Dagmar seufzte. »Aber freu dich nicht auf ihn. Er ist genauso wie mein Vater.« Sie lachte leicht. »Pflichtbewußt bis ins Mark. Ein Pedant. Deshalb hat er mich nach dem Tode deines Großvaters ausfindig gemacht. Er hätte es ja auch lassen und das Pflichtteil behalten können. Aber so etwas kommt gar nicht in Frage. Es muß alles seine Ordnung haben.« Auf einmal schaute sie Tina merkwürdig an. »Vielleicht wirst du ihn doch mögen . . .«
    Tina verzog unangenehm berührt das Gesicht. »Ich kenne ihn nicht, aber wenn du mich so siehst . . .«
    »Schatz.« Dagmar legte ihre Hand auf die Hand ihrer Tochter. »Ich wollte dir nicht wehtun. Nie. Verzeih mir bitte. Vielleicht irgendwann. Wenn du kannst.«
    Tina schaute auf die Hand ihrer Mutter. Sie hatte das Gefühl, so nah wären sie sich noch nie gewesen. »Ich . . . Mama . . .« Sie blickte Dagmar ins Gesicht. »Ich brauche einfach etwas Zeit. Das kommt alles sehr plötzlich jetzt.«
    »Ja, natürlich.« Dagmar zog ihre Hand zurück. »Ich hätte dir das alles früher sagen sollen. Aber ich wollte nicht, daß er dich auch noch verletzt. Wer weiß, was er für dich geplant hätte. Ich wollte dich ganz allein für mich haben.«
    »Hätte er mich denn überhaupt akzeptiert?« fragte Tina.
    Dagmar atmete tief durch. »Ja, das ist auch noch die Frage. Ein uneheliches Kind . . . Er nannte so etwas Bastard.«
    Tina zuckte zusammen.
    »Ach, verdammt.« Dagmar nahm erneut ihre Hand. »Entschuldige. Ich wollte das nicht sagen. Er hat es allerdings tatsächlich gesagt. Bring mir diesen Bastard nur nicht nach Hause! Er hat geschrien.«
    »Du hast viel durchgemacht«, sagte Tina. Auf einmal konnte sie ihre Mutter besser verstehen. Sie war immer auf der Flucht gewesen vor dieser Verachtung, diesem Gefühl des Nicht-entsprochen-Habens, die Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Auf der Suche nach einer Anerkennung.
    »Willst du deinen Onkel kennenlernen?« fragte Dagmar. »Und deine Großmutter? Du kannst das Erbe auch schriftlich annehmen. Du mußt nicht dahin.«
    »Wo wäre denn ›da‹?« fragte Tina.
    »Am Starnberger See«, sagte Dagmar. »Du wirst überrascht sein. Wahrscheinlich dachtest
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