In der Hitze der Nacht
Spatzen schießen.«
»Darum geht es doch gar nicht.« Mar versuchte sich an Tinas Gewicht an ihrem Arm zu gewöhnen. Es war äußerst verführerisch, eine solche Nähe zu spüren. Es verführte sie zu Gedanken an andere verführerische Dinge. Sie räusperte sich. »Die Testamentseröffnung hat bereits stattgefunden. Es ist alles eindeutig niedergelegt, da ist nicht mehr viel zu tun. Ich würde nur gern wissen, was du nun geerbt hast. Immerhin ist das nicht ganz unwichtig in deiner jetzigen Situation.«
»Mußt du mich daran erinnern?« Tinas Gesicht verschloß sich.
»Tut mir leid.« Mar blieb stehen und sah sie an. »Aber schau mal: Es ist doch nur zu deinem Besten. Du hast auf jeden Fall etwas geerbt. Und wenn ich mir das Haus deiner Familie so betrachte . . . nun ja, das sieht nun wirklich nicht nach Armut aus. Selbst wenn dein Großvater dir nur den Weinkeller vermacht hat oder irgend etwas in der Art, könnte das eine ganze Menge wert sein.«
»Vermutlich«, sagte Tina. »Aber . . .«, sie zögerte, »mir fehlt einfach der Bezug dazu. Habe ich überhaupt ein Recht –? Ich meine, ich tauche hier einfach so auf . . .«
»Du bist verrückt.« Mar schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hast jedes Recht. Du bist die Enkelin des Erblassers. Das stellt niemand in Frage.« Sie lächelte. »Kennst du die Tarzan-Geschichte von Edgar Rice Burroughs? Tarzan war sogar ein Lord, der dann aus dem Urwald nach England zurückkehrt, um sein Erbe anzutreten.«
Tina lachte. »Natürlich kenne ich Tarzan. Damit bin ich genauso überfallen worden wie mit Liane. Aber das ist ja wohl kaum mit mir zu vergleichen. Was auch immer meine Familie ist, adlig ist sie bestimmt nicht.«
»Wer weiß«, vermutete Mar vergnügt, »was sich sonst noch so alles hinter deiner Familie verbirgt? Du könntest ebensogut eine Prinzessin sein.« Ihr Gesichtsausdruck wurde weich. »Aussehen tust du wie eine.«
»Dieses Thema hatten wir doch abgeschlossen.« Tina zog abrupt ihre Hand aus Mars Armbeuge heraus. »Entschuldige. War wohl meine Schuld.«
»Es ist niemandes Schuld«, erwiderte Mar besänftigend. »Du weißt, daß ich dich mag. Aber ich akzeptiere auch, daß es umgekehrt nicht so ist.«
»Das habe ich nicht gesagt.« Anscheinend war Tina die Erwähnung dieses Umstandes peinlich. »Ich habe nur gesagt, daß ich dich nicht –« Sie brach ab.
»Daß du mich nicht liebst.« Mar beendete seufzend Tinas Satz. »Das ist auch nicht unbedingt das, was ich erwarte. Ich wäre nur froh, wenn wir . . . Freundinnen sein könnten.«
»Freundinnen?« Tina gab ein überraschtes Geräusch von sich. »Welche Art Freundinnen?«
Mar zuckte die Schultern. »Wie Gerlinde und ich zum Beispiel. Wir schlafen nicht miteinander –«, sie lachte, »sie ist noch nicht einmal lesbisch –, aber wir sind die besten Freundinnen. Wir haben viel Spaß miteinander, spielen Tennis zusammen, treffen uns, wann immer wir Lust und Zeit haben. Wir kennen uns schon seit Jahren.« Sie stutzte plötzlich. »Du kennst sie übrigens auch. Das heißt, zumindest hast du sie einmal gesehen. Wir haben uns mal in der Stadt getroffen. Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst.«
»Die Frau im Café?« Tina runzelte die Stirn.
»O nein, das war Nina.« Mar verzog das Gesicht. »So ungefähr das Gegenteil von einer wahren Freundin. Nein, Gerlinde. Sie ist schon etwas älter, Mitte vierzig.«
»Ach . . . so . . .« Tina antwortete so gedehnt, daß Mar aufmerksam wurde.
»Was ist?«
»Ich dachte, na ja, ich dachte –« Tina brach ab.
Mar lachte. »Daß wir keine platonischen Freundinnen sind? Ja, das denken viele. Wir machen uns auch oft einen Spaß daraus, diesen Eindruck zu erwecken. Wenn Volker nicht dabei ist, Gerlindes Mann. Er ist sehr nett, und manchmal treffen wir uns auch zu dritt.«
»Interessante Verhältnisse«, sagte Tina.
»Doch nicht, was du denkst.« Mar lachte noch mehr. »Wirklich nicht. Es ist genauso, wie ich sagte.«
»Ich hätte besser aufpassen sollen«, sagte Tina. »Aber ich war damals . . . mit anderen Gedanken beschäftigt.«
Mit was? fragte Mar sich, aber sie sagte es nicht. »Ich habe sie dir ja auch nicht vorgestellt«, gab sie gutmütig zu. »Ging alles etwas schnell so zwischen Tür und Angel. Gerlinde findet dich übrigens süß.« Sie grinste.
»Ich dachte, sie wäre nicht lesbisch?« Tina runzelte erstaunt die Stirn.
»Ist sie auch nicht, aber deshalb kann sie dich doch süß finden. Es gibt sogar Männer, die ich süß
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