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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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obwohl das Omelette noch fast vollständig war. »Vieles hätte sie nicht tun sollen.« Ihr Blick ruhte erneut auf Tina. »Insbesondere all das nicht, was dich betrifft. Dich aufwachsen zu lassen wie eine Wilde.« Jetzt war sie wirklich empört. Ihre Augen blitzten.
    Tina schluckte. »So schlimm war es auch wieder nicht«, versuchte sie abzuschwächen. »Ich habe viele interessante Menschen und interessante Orte kennengelernt.«
    Ihre Großmutter faßte sich. »Ja, wahrscheinlich«, erwiderte sie unbeirrt. »Aber ein Kind braucht doch eine andere Umgebung. Feste Regeln. Werte.«
    »Ja, die hätte ich manchmal gern gehabt«, gab Tina zu. »Ich mußte mir vieles selbst erschließen. Früh selbständige Entscheidungen treffen.«
    Ihre Großmutter atmete tief durch. »Na, da hattest du ja in deiner Mutter das beste Vorbild. Darin war sie Meisterin. Im Neinsagen und immer das Gegenteil von dem tun, was man von ihr erwartete.«
    Im Neinsagen bin ich überhaupt keine Meisterin, dachte Tina. Da hat sie irgend etwas falsch verstanden. »Ich mußte von ihr fortgehen, als ich achtzehn war«, verteidigte sie sich. »Auch wenn sie erwartet hat, daß ich bei ihr bleibe.«
    »Aber natürlich.« Jetzt lächelte ihre Großmutter wieder. »Das war bestimmt die beste Entscheidung, die du treffen konntest. Nur schade, daß ich nichts davon wußte und erst jetzt davon erfahren habe. Ich hätte mir gewünscht, du wärst mit achtzehn gleich zu mir gekommen. Wir hätten so viel für dich tun können.«
    Tina schaute sie an. Wieviel einfacher wäre es gewesen, eine Familie zu haben, als ich in Deutschland ankam, dachte sie. Es wäre mir sicher vieles erspart geblieben. »Meine Mutter sagte«, sie schluckte, »sie sagte, daß mein Großvater mich nicht haben wollte.«
    Ihre Großmutter legte ihre leichte Hand auf Tinas, die sich auf dem Tischtuch verkrampfte. »Dein Großvater«, erwiderte sie, »wußte nicht immer, was er sagte. Er war ein aufbrausender Mann. Und sicher hat er vielen Menschen oft Unrecht getan. Aber wenn du einfach gekommen wärst . . . Er hat sich immer einen Enkel gewünscht.«
    Tina schaute sie an. Tränen stiegen in ihr auf, und sie versuchte sie zu unterdrücken, aber sie merkte, wie ihre Augen feucht wurden. »Aber doch sicher eher einen Jungen«, sagte sie.
    »Ja.« Ihre Großmutter nickte. »Ganz entschieden. Aber da du die einzige bist, hätte er keine Wahl gehabt.« Sie lächelte erneut. »Und glaub mir, du hättest ihm gefallen.«
    »Ich . . . ich . . .« Tina schluckte schwer. Sie wußte nicht mehr, was sie sagen sollte.
    »Das einzig Wichtige ist: Du bist heimgekehrt zu deiner Familie«, sagte ihre Großmutter. »Du gehörst hierher. All das hier«, sie ließ ihren Blick durch den Salon schweifen, »steht dir rechtmäßig zu.«
    Tina lächelte unsicher. »Daran muß ich mich erst gewöhnen.«
    Ihre Großmutter erhob sich vom Tisch. »Dazu hast du ein Leben lang Zeit«, sagte sie. »Denn jetzt, wo du einmal hier bist, wirst du merken, was Blutsbande bedeuten. Es sind die stärksten Bande, die es gibt. Und eine Familie ist immer füreinander verantwortlich.« Sie warf einen Blick auf Tina, von dem Tina wieder einmal nicht wußte, was er bedeuten sollte. »Ich ziehe mich nach dem Frühstück meist in die Orangerie zurück, um Briefe zu schreiben. Wenn du willst, kannst du mich begleiten.«
    Tina hatte das Gefühl, das war keine Bitte, sondern ein Befehl. »Gern«, sagte sie. »Ich würde das Grundstück gern kennenlernen. Es ist ziemlich groß.«
    Ihre Großmutter nickte selbstbewußt. »Eines der größten Grundstücke am See«, bestätigte sie. »Und ganz sicher mit Abstand das schönste. Mach dich nur damit vertraut. Du wirst ja nun viel Zeit hier verbringen.«
    Als ihre Großmutter den Salon verließ, folgte Tina ihr hinaus, und in ihr festigte sich das Gefühl, daß ihre Großmutter bereits Entscheidungen für sie getroffen hatte, von denen Tina noch gar nichts wußte.
    Für den Moment wollte sie aber nicht darüber nachdenken.

26
    S timmen wurden im Vorzimmer laut. Gestört blickte Mar auf. Normalerweise hatte Frau Ritter das ja immer ganz gut im Griff, aber es gab natürlich auch Mandanten, die meinten, auf keinen Fall warten zu können.
    Ein Mann anscheinend. Eine dunkle Stimme, die sich von der resoluten Sekretärin nicht abweisen lassen wollte, drängte sich immer wieder in Mars Bewußtsein, bis sie sich endgültig nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren konnte.
    Ärgerlich stand sie auf, aber

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