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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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im Spiel war – und von Tinas Seite war sie das nicht. Auch wenn Mar mittlerweile –
    Sie schüttelte den Kopf. Es hatte doch keinen Sinn, darüber nachzudenken. Sie war Tinas Anwältin, in dieser Eigenschaft war sie hier, und das war der Grund, warum sie mit Tina sprechen mußte.
    Der einzige?
    Nein, natürlich nicht. Sie wußte, daß es nicht so war. Es war nur eine bequeme Entschuldigung, daß sie sich in Tinas Angelegenheiten einmischte und sie sehen konnte.
    Wie sie bemerkte, gab es Bänke am See, in regelmäßigen Abständen. Dazu auch einen kleinen, weißen Pavillon, nach allen Seiten offen und doch irgendwie beschützend, mit seinem dunklen Dach und seinen hölzernen Eckpfosten. Dieser Pavillon war nicht neu, die kunstvollen Holzarbeiten ließen alte Handwerksqualität vermuten, die es heute so nicht mehr gab. Sie kannte ähnliches von ihrem Vater, der immer gern mit Holz gearbeitet hatte.
    Sie beschleunigte ihre Schritte ein wenig. Irgend etwas sagte ihr, daß Tina nur in diesem Pavillon sein konnte, nirgendwo anders. Jedoch je mehr sie sich näherte, desto mehr zögerte sie, bis sie endlich ganz stehenblieb.
    Vielleicht hatte Tinas Großmutter ja recht gehabt. Im Grunde genommen ging Mar das alles nichts an. Es war Tinas Entscheidung. Wenn sie sich nicht für ihr Erbe interessierte, nicht für Geld und nicht für Besitz, sollte Mar sie dann wirklich zwingen, sich damit zu beschäftigen?
    Aber da war eben das oberste Gebot, das Gesetz. Mar konnte nicht anders, sie mußte es Tina sagen. Wofür Tina sich daraufhin entschied, das war dann in der Tat ganz allein ihre Angelegenheit. Dafür existierten keine Gesetze.
    Mar gab sich einen Ruck und ging weiter, betrat sich vorsichtig umschauend den Pavillon.
    Wie sie vermutet hatte, war Tina hier. Sie saß in der Ecke und starrte selbstvergessen auf den See hinaus, bemerkte Mar noch nicht einmal.
    Man soll Schlafwandler nicht wecken, dachte Mar merkwürdigerweise, denn Tina kam ihr tatsächlich so vor, als wäre sie sehr weit entfernt, noch nicht einmal wach, obwohl ihre Augen klar und offen über das Wasser blickten.
    Mar tat einen weiteren Schritt. »Tina?« Sie sprach so leise, wie sie konnte, weil sie fürchtete Tina zu erschrecken.
    Tina reagierte nicht sofort, als müßte sie tatsächlich erst von einem entfernten Ort zurückkehren. Dann aber drehte sie leicht den Kopf. »Mar?« Sie schaute Mar an, als wäre sie ein Traum.
    »Ja.« Mar ging auf sie zu und setzte sich neben sie auf die Bank, die innerhalb des Pavillons rundumlief. »Ich dachte, vielleicht wäre es doch bequemer, wenn ich dich abhole. Dann mußt du nicht umständlich mit dem Zug fahren und tausendmal umsteigen.«
    Tinas Körperhaltung änderte sich. Sie richtete sich auf einmal auf. »Du bist tatsächlich da«, sagte sie.
    Mar lächelte. »Du anscheinend nicht.«
    Als ob Tina erst jetzt erkennen würde, was vor ihren Augen geschah, zwinkerte sie und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, als müßte sie sich bemühen, das Gesehene in Bilder umzusetzen. »Du hast nicht gesagt, daß du kommst.«
    »Es war auch mehr ein . . . spontaner Entschluß«, sagte Mar. »Eigentlich hatte ich das nicht vor.« Sie blickte auf den See hinaus. »Es ist schön hier. Ein ruhiger Ort, an dem man nachdenken kann.«
    »Ja.« Tina nickte leicht. »Das liebe ich daran. Hier hat mich noch nie jemand gestört. Nur das Wasser ist jeden Tag anders. Ich könnte es stundenlang betrachten.«
    »Hast du das getan?« fragte Mar. »Die ganze Zeit, die du hier warst? Nur das Wasser betrachtet?«
    Tina zuckte leicht die Schultern. »Nicht nur, aber viel.« Sie hob den Blick. »Es ist, als ob ich immer schon hiergewesen wäre. Meine Großmutter sagt, es liegt im Blut. Ich spüre, daß ich hier hingehöre. Deshalb wird die Familie mich aufnehmen und für mich sorgen.«
    Mar entfloh ein überraschter Laut. »Für dich . . . sorgen?«
    Tina nickte. »Ich brauche nicht zu arbeiten, hat meine Großmutter gesagt. Ich soll mich nur ausruhen und mich um nichts kümmern müssen.«
    »O ja!« Mar lachte. »Das könnte ihr so passen. Wenn du dich um nichts kümmerst.«
    Tina schaute sie verständnislos an. »Das ist doch nett von ihr.«
    »Hm. Sehr nett.« Mar schüttelte leicht den Kopf. »Und vor allem so praktisch.«
    »Was meinst du damit?« Tina runzelte die Stirn.
    Mar betrachtete sie aufmerksam. »Wie fühlst du dich?« fragte sie. »Geht es dir gut?«
    »Warum sollte es mir nicht gut gehen? Was ist das für eine komische

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