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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Gogoll
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Tinas Stimme klang undefinierbar. Es war nicht zu erkennen, ob sie dafür oder dagegen war.
    »Ich könnte dich auch abholen«, sagte Mar. »Du hast doch sicher noch Sachen in deiner alten Firma . . . Sachen in deiner Wohnung . . . Dinge, die du vielleicht vermißt.«
    Erneut war die Leitung still, aber diesmal nahm Mar nicht an, daß sie unterbrochen worden waren.
    Und das waren sie auch nicht. »Dinge, die ich vermisse . . .«, schälte sich Tinas Stimme nach ein paar endlosen Sekunden aus der Stille heraus.
    »Solche Dinge haben wir doch alle«, fuhr Mar harmlos fort, obwohl sie merkte, daß Tina wahrscheinlich nicht an dasselbe dachte wie sie. »Ich habe beispielsweise ein kleines Holzschiff aus meiner Kindheit, das ich überallhin mitschleppe, auch wenn ich umziehe. Mein Vater hat es für mich gebaut, als ich vier Jahre alt war. Ich könnte es nie weggeben.«
    Tina hatte sich anscheinend wieder gefangen. »Ich kann schon selbst kommen«, sagte sie. »Mit dem Zug. Du brauchst mich nicht abzuholen.«
    Mar hatte entschieden den Eindruck, Tina wollte sie nicht sehen. »Ich bin nur deine Anwältin«, sagte sie in möglichst neutralem Ton. »Nur falls du denkst, ich würde irgendwelche . . . Erwartungen mit meinem Kommen verbinden. So sind wir schließlich letztes Mal übereingekommen. Das respektiere ich und das ist auch in meinem Sinne.«
    »Letztes Mal . . .«, setzte Tina an.
    »Wir müssen nicht darüber reden«, sagte Mar, als Tina nicht weitersprach. »Es war alles von Anfang an klar. Ich –« Sie räusperte sich. »Es tut mir leid, daß ich dir diese SMS geschrieben habe. Ich wollte dich damit nicht unter Druck setzen. Es war nur –« Sie brach ab.
    »Ich habe sie jetzt erst gesehen«, sagte Tina, »weil ich das Handy die ganze Zeit ausgeschaltet hatte.«
    »Tut mir leid«, wiederholte Mar. »Leider kann man eine SMS nicht zurückholen, wenn man sie einmal geschrieben hat.«
    Wieder breitete sich eine unbehagliche Stille in der Leitung aus. »Ich fand es auch schön«, sagte Tina dann leise. »Aber –«
    »Schon klar«, unterbrach Mar sie schnell. »Wir müssen wirklich nicht darüber reden.«
    »Ich denke doch.« Tina seufzte. »Nur fühle ich mich dem momentan nicht gewachsen. Es ist so viel Neues auf mich eingestürzt –«
    »Natürlich.« Mar merkte, daß das Telefongespräch mit Tina die Sehnsucht zurückbrachte, die sie damals empfunden hatte, als sie in dem leeren Bett ohne Tina aufgewacht war. Woraufhin sie dann diese SMS geschrieben hatte . . . Schon kurz darauf hätte sie sich dafür ohrfeigen können. Aber geschehen war geschehen. »Ich verstehe das.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Tina, aber es schien gar nicht, als ob sie mit Mar sprach, sondern mehr zu sich selbst. »Dennoch . . .« Sie schien sich einen Ruck zu geben. »Ich kann nicht alles dir überlassen. Ich muß mich selbst um die Sachen kümmern. Mit meiner Firma . . . der Wohnung . . .« Sie atmete tief durch. »Ich denke, ich werde sie kündigen und eine Weile hier bei meiner Familie leben.«
    Mar fühlte einen Stich durch irgendeinen Teil ihres Körpers fahren, sie konnte noch nicht einmal genau sagen, durch welchen. Sie schluckte. »Eine Weile?« fragte sie. »Wie lange –?« Sie brach ab. »Entschuldige. Das geht mich nichts an.«
    Tina seufzte. »Ich würde es dir gern sagen, wenn ich es wüßte, aber ich weiß es nicht. Ich will einfach nur . . . ein wenig Ruhe finden, allein sein, nachdenken. Über so vieles«, fügte sie noch fast unhörbar hinzu.
    »Das ist dein gutes Recht«, sagte Mar. Sie zögerte, jedoch dann fuhr sie fort: »Weißt du schon, wann du kommst? Ich meine, um die Sachen zu regeln?«
    »Es kommt jetzt sicher nicht auf ein paar Tage an«, sagte Tina. »Aber ich will es auch hinter mich bringen. Nächste Woche vielleicht.«
    »Gut.« Mar nickte. »Ich denke, bis dahin ist auch der Brief da, von dem ich gesprochen habe. Es ist ja wichtig, daß du das schriftlich hast.«
    »Ja.« Tina verstummte sofort wieder. »Mar . . .«, setzte sie an, sprach aber nicht weiter.
    »Ja?« Mar fühlte plötzlich, wie ihr Herz schneller schlug. Es schien eine Ewigkeit herzusein, daß Tina ihren Namen ausgesprochen hatte, und das letzte Mal, als sie es getan hatte, war es mit einem höchst erotischen Unterton gewesen. Irgend etwas auf Mars Haut kribbelte. Sie fuhr mit der Hand darüber, um es zu vertreiben.
    »Ich wollte nur . . .« Wieder beendete Tina den Satz nicht.
    Sie will mir

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