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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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nicht.«
    Der erfahrene Nachtpatrouillenführer kannte das sehr wohl. Wie oft hatte er eine Person angeliefert, der er Erste Hilfe geleistet hatte und die dringend ärztliche Hilfe benötigte. Nicht selten schoben ihn die jungen deutschen Assistenzärzte zur Seite, noch bevor er berichtet hatte, was vorgefallen war. Heinzmann sprach nur Schweizerdeutsch. Der musste ja dumm sein. Und dann waren sich die Assistenzärzte ihrer Diagnose doch nicht sicher, riefen ihn eine halbe Stunde später an, um in Erfahrung zu bringen, ob der Patient zuerst gefallen war und erst dann die Augen verdreht hatte, oder doch in umgekehrter Reihenfolge zusammengebrochen war.
    »Wer ist da von unserem Verein?«, fragte Heinzmann die Portière.
    »Einer von der Spurensicherung. Den kenne ich aber nicht.«
    »Vielleicht ein Neuer. Das Stammteam war ja am Tatort. Da haben sie wohl einen Praktikanten hergeschickt.«
    »Kann sein. Regazzoni ist erst später dazugekommen.« Martina Wander beugte sich zu Heinzmann, sprach leise. »Du, der ist gleich ausgerastet. Hat rumgebrüllt hier im Notfall.«
    »Was, Regazzoni? Das glaube ich nicht.«
    »Doch. Der hat richtiggehend getobt. Dem ist eine Sicherung rausgesprungen.«
    »Der Professor? Das kann nicht sein. Der ist doch sonst immer sehr auf Form bedacht.«
    »Den Neuen von der Spurensicherung hättest du sehen sollen. Der war geprügelt wie ein Hund.«
    »Ist er etwa auf den losgegangen?«
    »Ja, sicher. Regazzoni hat den total zusammengeschissen. Er hat getobt, was das hier für eine Schweinerei sei. Hat was von Professionalität und Standardverfahren und so weiter gebrüllt. Du, ich glaub, der war einfach besoffen?«
    »Besoffen?«
    »Besoffen!«
    »Dann ist es ja Zeit, dass ich hier bin. Sag, wo ist die Mutter jetzt?«
    »Sie war hier, als das Kind untersucht wurde. Jetzt ist sie im Zimmer …« Martina Wander hielt inne. »Sie hat einen Schock, das kannst du dir denken.«
    »Hat man ihr ein Beruhigungsmittel gegeben?«, wollte Heinzmann wissen.
    »Muss doch. Sonst würde sie wohl durchdrehen. Sie hat garantiert eine happige Valium-Spritze bekommen.«
    »Ja«, sagte Heinzmann. Er schüttelte leicht den Kopf. Dann blickte er die erfahrene Pförtnerin an. Er blickte nicht drängend, sein Gesichtsausdruck war irgendwie angespannt, neutral zugleich. »Die Nummer des Zimmers willst du mir nicht sagen?«
    Martina Wander strich sich mit den Fingern einer Hand von der Wange bis hinunter zum Hals. Dabei verschmierte sie das Rouge auf dieser Seite ein klein wenig. Sie atmete schwer, presste die Lippen aufeinander. »Ich darf dir die Nummer nicht geben, Heinzmann.« Sie fingerte an ihrer Halskette herum.
    »Ich muss die Frau sprechen, Martina.«
    Martina Wander rieb mit der Hand unter ihrem Kinn hin und her. Ihren Mund verzog sie zu einem breiten Strich. »Es geht nicht. Strikte Anweisung von Professor Kaltmann. Der hat mich schon fertiggemacht, weil ich Regazzoni nicht bei ihm angemeldet habe und ihn einfach gewähren ließ. Kaltmann …« Sie verzog das Gesicht, als hätte sie sich an einem Magenbitter verschluckt.
    »Ich muss die Frau sprechen, Martina«, sagte Heinzmann mit Bariton in der Stimme und machte ein paar Schritte auf sie zu, wollte sie am Oberarm berühren, doch sie drehte sich weg von ihm. Er verstand es als Ablehnung, aber sie hatte sich einfach zum Schiebefenster gedreht, weil ein junger Mann eine Auskunft wollte.
    »Ja, der ist hier«, gab die Pförtnerin dem Bittsteller die gewünschte Information. Sie nahm einen Stift in die Hand und zog einen Notizblock zu sich. »Er wird gerade untersucht.«
    Sie schrieb etwas auf einen Zettel, während sie zu dem Mann an der Scheibe sprach. »Ja, Sie können hier warten.« Sie faltete das Papier, während sie ihn anblickte. »Gehen Sie dort durch die Tür und weiter bis zum Besucherraum. Dort klingeln Sie nach der Schwester, ja?«
    Martina Wander verschloss das Glastürchen wieder. Sie blieb an der Fensterfront stehen, blickte leer geradeaus. Den Zettel, den sie zuvor geschrieben hatte, hielt sie mit beiden Händen fest. Sie überlegte einen letzten Moment. Dann schob sie das Papier zur Seite. »Da«, sagte sie zu Heinzmann hinter sich.
    Sie hörte, wie der Zettel genommen wurde. Dann spürte sie, wie feuchte Lippen ihre linke Wange zart berührten, zugleich nahm sie einen herben männlichen Duft wahr. Es roch leicht nach frischem Schweiß, auch Ledertöne waren darin vermischt. Verwirrend anders als die bitteren Ausdünstungen der scharfen

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