In der Hitze der Stadt
Andi merkte es kaum. Dann schwindelte er plötzlich. Die Erde schwankte und der Boden stürzte unter ihm weg. Verängstigt klammerte er sich mit seinen Händen an die Stuhlkanten, schloss die Augen, zog den Kopf ein.
Fünf Sekunden.
Zehn Sekunden.
Endlich war das beängstigende Gefühl vorbei, wie es gekommen war.
»Machst du jetzt etwa schlapp?«, fragte ihn Mina.
»Mir … geht es nicht gut«, meinte Andi.
»Ich verstehe dich schon, Andi, aber was hast du denn erwartet?«
»Erwartet?«
»Hast du gedacht, dass deine kleine Französin für dich da ist, wenn du sie brauchst?«
Baumer sagte nichts.
»Du scheinst das nicht begriffen zu haben, Baumi.«
Er atmete schwer.
»Maja ruft dich an, wenn sie ein Problem hat. Dann bist du gut genug für sie.«
»Gut genug«, sagte Baumer.
»Wenn sie eine Auskunft braucht, oder eine starke Schulter zum Heulen. Dann kommt sie.«
»Ja.«
»Steht einfach vor deiner Tür und klingelt.«
»Ja.«
»Aber kaum wieder fit, lacht sie dich aus.«
Andi Baumer stöhnte laut, führte beide Hände zur Stirn.
»Willst du jetzt heulen?«, provozierte Mina.
»Mir … geht es nicht …«
»Dir geht es also nicht gut«, unterbrach ihn Mina unwirsch. »Was kann ich dann erst sagen?«
»Es tut mir leid, Mina«, versuchte Andi sich zu wehren, »Ich weiß, dass du Hilfe brauchst.« Er rieb sich die Augen. »Ich versuche mein Bestes.«
»Das genügt nicht«, wurde die Jugendliche eindringlich. »Du hockst hier rum. Aber es kommen dir keine Ideen. Dein Unbewusstes beschäftigt sich nicht mit dem Fall, nur mit dieser Maja. Doch ich brauche jetzt alle Hilfe, die ich kriegen kann.«
Es ist so heiß, wollte Andi erwidern, sich rechtfertigen, aber Mina ließ nicht locker. »Schau dich doch einmal um, was los ist. Heinzmann ist angeschlagen. Danner ist zwar fit, kann aber deinen Job nicht machen, wird überall angefeindet. Regazzoni säuft wie ein Loch, und du, du …«
Der Kommissar wusste, was kommen würde. Dass er ein blamables Bild abgebe. Dass er seiner alten Freundin nachhänge wie ein dummer, seniler, blinder Hund, der nicht begreift, dass sein Frauchen seit Jahren begraben liegt. Wie konnte das tote Mädchen da auf Hilfe hoffen?
»Ich helfe dir«, stammelte Andi endlich und wusste doch, dass alle Hilfe zu spät kam. Für ihn, für Mina.
»Du darfst den Kopf nicht hängen lassen. Du musst weitermachen, Andi. Für mich, für meine Mutter auch. Nicht zuletzt für dich.«
»Ja«, stimmte Andi zu. Seine Gedanken flogen wild durch seinen Kopf. Weitermachen. Man muss immer weitermachen. Arbeiten. Arbeiten. Mina. Helfen. Immer.
»Reiß dich endlich zusammen und überlege, was zu tun ist!«
Baumer richtete sich auf, schnaufte tief, rieb sich sein Gesicht, fuhr sich durch die Haare. Ja, weitermachen, dachte er. Fit werden. Er bestellte einen neuen Espresso. Einen doppelten.
Während er auf das Getränk wartete, beruhigte er sich weiter. Er begann, alle Fakten und Hinweise zum Mord an Mina zu rekapitulieren. Vielleicht fand er im Aufzählen dessen, was geschehen war, eine Spur zu dem Mörder. Vielleicht entdeckte er einen wichtigen Punkt, den er bisher übersehen hatte.
Als er seine Gedanken geordnet hatte, hörte er wieder die Stimme von Mina: »Also, was meinst du?«
»Ich weiß noch zu wenig.«
»Das glaube ich nicht, Andi.«
Baumer sagte nichts.
»Andi, du hast alle Informationen, die du brauchst.«
Und Andi legte seine Stirn in Falten, verharrte so einen langen Moment.
»Baumi. Was brauchst du da so lange zu überlegen? Es ist doch offensichtlich, welch wichtigen Punkt du übersehen hast.«
Baumer marterte sich das Hirn. »Ganz wichtigen Punkt«, murmelte er, schüttelte den Kopf.
Plötzlich riss er Mund und Augen auf und schlug sich eine Faust an die Stirn. »Ja, Mina, ja. Du hast Recht. Das ist es.«
»Gut, Baumi.«
»Zahlen, zahlen!«, rief der Kommissar überlaut, wartete aber nicht ab, dass die Bedienung kam. Er stopfte eine Zwanzig-Franken-Note unter das Espressotässchen, stieß noch einen Stuhl um und rauschte ab.
7
Stefan Heinzmann war nach der Besprechung im ilcaffè in die Gartenstraße gefahren, wo der Vater von Mina wohnte. Dort sollte Rolf Danner wie zuvor besprochen Erkundigungen einholen. Nachdem Heinzmann den Journalisten vom Blick aussteigen lassen hatte, fuhr er mit seinem Streifenwagen Richtung Bahnhof SBB, vorbei am Straßburger Denkmal, und weiter zur Notfallaufnahme des Kantonsspitals Basel.
Hierher, in das in Basel medizinisch am besten
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