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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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soweit, ging dem Alten dieser einzige Gedanken durch den Kopf. Danach dachte er überhaupt nichts mehr, fühlte noch weniger.
    Es dauerte eine gehörige Weile, bis er seinen Blick von der Metalltür nehmen konnte. Was hielt er da in den Händen? Ein Kopfkissen, eine leichte Decke, eine Wolldecke und noch ein Spannbettlaken. Das hatte keinen Gummizug.
    Steiner tat einen schweren Atemzug.
    Endlich drehte er sich um, blieb aber stehen. Uninteressiert inspizierte er seine Zelle. Ein Tisch stand darin, auch ein Stuhl. Beide waren aus Eisen. Das freistehende Klosett ohne Sitzring und Deckel war hingegen aus Beton. Das kleine Spülbecken daneben ebenfalls. An der Längsseite der Zelle stand ein Etagenbett. Oben lag schon einer.
    Steiner warf sein Bettzeug auf das untere der beiden Betten. Er hielt die Hose fest, die ihm bei den wenigen Schritten fast bis auf die Knie heruntergerutscht war, zog sie zurück über die Hüften. Er wusste, sie würde wieder fallen.
    Hinter dem Alten ging das Guckfenster mit ekligem Gequietsche auf. Steiner hörte eine kehlige Stimme aus dem Loch zu ihm sprechen. »Was willst du essen?« Der Wärter von vorhin war nochmals zurückgekommen.
    Steiner drehte sich zur Tür. Er sah nur ein knochenbleiches Kinn und eine wulstige Unterlippe. Die Oberlippe sah man nicht, ein filziger grauer Schnauz der auf der Höhe der Nasenlöcher nikotingelb verfärbt war, verdeckte sie.
    »Was ich essen will?«, fragte Steiner baff. Das war ja ganz was Neues, dass man im Knast sein Essen wählen konnte.
    »Sag, was du fressen willst.«
    »Also, na ja, ein Schweinskotelett und Bratkartoffeln hätte ich gerne.«
    »Gibt nur Poulet oder Poulet. Hahaha!« dröhnte es höhnisch aus dem Guckloch. »Das kannst du solchen Leuten wie deinem Kumpel da verdanken. Hahaha.« Das Fenster schlug zu.
    Hans Steiner war nicht verärgert. Es hatte sich offensichtlich doch nicht so viel geändert im Knast, sagte er sich. Entweder bist du vor der Zelle oder drin. Oben oder Unten. Schwarz oder Weiß. Immerhin wusste er jetzt, welcher Religion der Mann angehörte, mit dem er sein schmuckes Zimmerchen teilte.
    Er drehte sich um. Er wollte seinen Schlafplatz einrichten.
    Zwei Schuhe kamen in sein Blickfeld. Der Mann vom oberen Bett hatte sich aufgesetzt.
    Steiner trat einen Schritt zurück. Sein Zellengenosse ließ sich hinunterfallen.
    Hans Steiner blickte in das Gesicht eines etwa 28-jährigen Tunesiers. Vielleicht war es auch ein Marokkaner. So genau kannte er sich nicht mit diesen Leuten aus. Die Hautfarbe seines Gegenübers war auf jeden Fall von natur aus braun, seine Haare waren schwarz, mit vielen kleinen Locken. Die Augen des Mannes waren dunkel, irgendwie stechend. Ein Muslim offenbar, wusste Steiner, nicht weil man das einem Menschen ansieht, aber weil man sonst das Schweinefleisch nicht gänzlich aus dem Gefängnis verbannt hätte.
    Die Augen des anderen Gefangenen schauten ihn an. Was Steiner sah, gefiel ihm nicht. Er versuchte, dem Blick des Fremden standzuhalten, zugleich neutral zu bleiben – irgendwie.
    »Du bist Kindermörder«, schnellte eine Hand des Mitgefangenen nach vorne. Steiner wurde vom Stoß auf seine Brust einen Schritt zurückgeworfen. Ein zweites Mal schlug die Hand des Nordafrikaners zu. Nun knallte er mit dem Rücken an die Wand.
    »Mach Fresse auf, wenn ich rede mit dir!«
    Steiner machte den Mund nicht auf, blieb ruhig, suchte irgendeinen Ausweg.
    »Ich mach dich fertig.«
    »Das bringt doch nichts, lass gut sein.« Er versuchte sich auf den Beinen zu halten.
    Der junge Kerl mit seinen drahtigen Muskeln trat an den ziemlich mageren Alten heran. Steiner roch seinen Schweiß, spürte seinen Atem im Gesicht.
    Die Pupillen des Nordafrikaners weiteten sich. »Ich mache dich kalt.«
    Jetzt wird es ernst, wusste Steiner.
    »Ich dich töten.«
    »Schau in meine Hand«, sagte Steiner leise.
    Die Zähne noch gefletscht, blickte der Nordafrikaner nach unten, wo der Alte seine Hand hatte.
    Die Klinge des Messers in Steiners Hand blitzte auf, und noch bevor der Maghrebiner begriff, was geschah, hatte Steiner das gefährliche Ding an der Halsschlagader des komplett überraschten Angreifers und wurde von dem Verängstigten mitgezogen. Jetzt stand der 80-Jährige wieder fest auf den Beinen, die Klinge am Hals des Mannes. Steiner zeigte dem Nordafrikaner alle seine falschen Zähne. Seine Nasenlöcher waren weit aufgerissen, die borstigen Augenbrauen hatte er tief zur Nasenwurzel hingezogen.
    Der junge Ausländer machte

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