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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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von einer Abstammung aus den nahen badischen Gebieten. Alle wiesen sie eher auf eine nord- oder ostdeutsche Herkunft. Diese Immigranten waren relativ neu in Helvetien und oft erst seit Kurzem hier. Sie arbeiteten zumeist engagiert und gut, aber interessierten sich für Schweizer Nachbarn oft nicht die Bohne. Wenn Danner mit solchen Zugereisten sprach, beschwerten sie sich meist nur über die miefige Schweiz, die sie sich ganz anders vorgestellt hatten und die sie als feindselig wahrnahmen. Er wusste auswendig, wie die Diskussionen mit solchen Hartz-IV-Flüchtlingen endeten. »Natürlich hätte ich lieber eine schöne Anstellung in Deutschland.« Nicht selten bekam er auch zu hören: »Ich bleibe sowieso nur ein paar Jahre hier.«
    Interessanter fand Danner die serbischen Namen. Viele Serben haben ein großes Gemeinschaftsgefühl, wie er selbst schon in seiner eigenen Nachbarschaft erfahren hatte. Hilfe für Nachbarn in Not wird selbstverständlich und ohne Hintergedanken geleistet.

    Milutinovic.

    Dieser Name gefiel ihm. Das Schildchen schien ein wenig älter. Wahrscheinlich war die Familie vor vielen Jahren eingewandert. Der Akzent auf dem c schien hingegen erst kürzlich von Hand eingeritzt worden zu sein. Identität und Herkunft waren in letzter Zeit wieder wichtig geworden.
    Danner läutete.
    Nach wenigen Momenten ertönte der Türsummer. Kurz danach stand der Journalist vor einem 16-jährigen Mädchen. »Guten Tag, mein Name ist Rolf Danner.«
    Die Jugendliche, sie hatte schwarze halblange Haare und trug einen luftigen Sommerrock, sagte nichts, nickte nicht.
    »Ich bin Journalist. Darf ich hereinkommen und dir ein paar Fragen stellen?« Danner zeigte seinen Presseausweis vom Blick.
    Sofort zog das Mädchen die Tür enger zu sich und schloss sie bis zu einem Spalt.
    Der Blick-Journalist hob seine Hände wie zur Abwehr, trat sogar einen Schritt zurück. »Du brauchst keine Angst zu haben, ich tu dir nichts.« Rasch sprach er weiter. »Ich will nur helfen. Du weißt doch, dass ein Mord geschehen ist?«
    Die junge Serbin nickte endlich, blickte dann mit zusammengepressten Lippen zu Boden.
    Aha, witterte Danner seine Chance und legte nach. »Das ist so schlimm, dass die Mina tot ist. Findest du nicht auch?«
    Die 16-Jährige ruckte erneut mit dem Kopf, aber wieder nur knapp. Danner beeilte sich, die Bewegung des Mädchens nachzuahmen. Sie lockerte ihre Haltung ein wenig, blieb aber misstrauisch.
    Der Journalist legte den Kopf schräg zur Seite, fuhr einfach fort. »Du hast Mina doch sicherlich gekannt. Wie würdest du sie beschreiben?«
    »Sie war nett – aber sie hatte es schwer.«
    »Schwer?«
    »Ja.«
    »Erzähl doch mal. Warum hatte sie es schwer?«
    Das Mädchen lehnte sich gegen den Türpfosten, behielt die Tür aber in der Hand. »Ihre Eltern hatten immer Streit. Sie war dazwischen, konnte nie etwas richtig machen.«
    Von der Wohnung her hörte Danner schlurfende Schritte näherkommen. Dann rief jemand: » Ko je to ?«
    » Novinar, mama «, erklärte die junge Serbin in Richtung der Schritte, ein Journalist sei gekommen. Sie gab die Tür frei.
    Das verschlafene Gesicht einer Frau erschien, offenbar die Mutter des Mädchens. Sie musste ein Nickerchen gemacht gehabt, denn auf einer Seite des Gesichts hatte sie den Abdruck eines derben Textils.
    Die etwa 45-jährige Mama trug ein ärmelloses, geblümtes Kleid und heruntergelassene Kniestrümpfe. »Aber komm doch herein«, machte sie eine einladende Geste. »Komm nur.« Sie drehte sich und schlurfte zurück ins Wohnzimmer.
    Noch bevor Danner saß, fragte sie, was er trinken wolle. Dann wies sie ihre Tochter an, Wasser zu holen und für alle Kaffee zu bringen. »Mach ihn mit der Maschine«, präzisierte sie. Ohne irgendein Anzeichen einer Widerrede gehorchte ihr Kind.
    Rolf Danner wusste, wie man Zungen lockert. Er tat interessiert und blickte mit großen Augen um sich. »Schön wohnen Sie hier«.
    » Da «, bejahte die Frau in ihrer Muttersprache. Erfreut und voller Stolz blickte sie auf die Errungenschaften von langjähriger und knochenharter Arbeit: Ledersofa, Wohnwand, Flachbildfernseher, moderner Esstisch mit Glasplatte, Imitate von Designerstühlen in schwarzem Kunstleder. »Wir wohnen seit 30 Jahre hier. Ja, uns gefällt es in Basel.«
    Danner wechselte das Thema. »Sie wissen, was passiert ist?«
    Die Frau seufzte. »Leider, ja, es im Radio wurde gemeldet. Und wir haben in der Straße hier schon erfahren, dass es Mina war, die … die …« Die Frau holte

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