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In der Hitze der Stadt

In der Hitze der Stadt

Titel: In der Hitze der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Aeschbacher
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ein Professor, wenn er einen Medizinerkittel trägt, einen edlen Stift in der Brusttasche blitzen lässt und die Nase hoch spazieren führt. Andi Baumer hatte als Patient genug Zeit gehabt, das Auftreten dieser Herren zu bestaunen.
    Hinter dem Weißkittel standen zwei junge Ärzte, die Brusttaschen voller Kugelschreiber aus Plastik. Bügel von Stethoskopen schauten aus den Seitentaschen. Solche Assistenzärzte hatte er während seines Spitalaufenthalts ebenfalls zur Genüge kennengelernt. Die wenigsten davon waren Schweizer. Diese jungen Ärzte aus dem Ausland machten ihre Arbeit gut, und man brauchte sie ja dringend. In der Schweiz hatte man seit Jahren den Numerus Clausus eingeführt. Nur ein Bruchteil der fähigen einheimischen Maturanden wurden überhaupt zum Studium der Medizin zugelassen. So hatte man einen künstlichen Ärztemangel geschaffen. Als Ausgleich importierte man Dres. med. aus allen möglichen Ländern. Die begabten Schweizer Maturanden, denen man die Tür zum Spital vor der Nase zugeworfen hatte, durften immerhin noch Tiefseebiologie studieren oder Archäologie oder politische Wissenschaften etwa. Alles exzellente Voraussetzungen, um später Taxifahrer zu werden und sich mit all den wilden Chauffeuren aus dem Osten um ein paar Kunden zu streiten.
    Baumer sah, wie der Professor die Frau zur Rede stellte. Der Mediziner hatte eine Hand in der Seitentasche, die andere hob er zur Frau. Mit spitzem Zeigefinger, an dem ein mächtiger goldener Siegelring funkelte, stieß er in Richtung des Busens der Frau.
    Durch die Scheiben hindurch hörte der Kommissar, wie der Mann in Weiß seine Stimme erhob. Einzelne gedämpfte Wortfetzen waren zu verstehen. »… unverzeihlich … Verfahren einleiten …« Dann steckte er beide Hände wieder in die Taschen und entfernte sich mit starrem Blick, verließ die Pforte. Der eine Assistenzarzt sprang sofort hinterher. Der andere machte auf seinem Notizbrett zügig ein paar Notizen, dann beeilte auch er sich, hinter seinem Meister herzukommen.
    Die Frau blieb leicht gebeugt da stehen. Irgendwie erwartete der Kommissar, dass sie nun, wo der prächtige Arzt weg war, ganz einknicken könnte. Vielleicht würde sie zu weinen beginnen. Doch ganz im Gegenteil. Auf einmal streckte sich die Frau, lachte belustigt auf und winkte mit ihrer Nasenspitze der bereits verschwunden Prozession hinterher. Dann rief sie etwas und lachte noch lauter.
    Kommissar Baumer hatte nicht verstehen können, was die Frau dem mächtigen Arzt hinterhergerufen hatte, aber er konnte es sich gut denken.
    Nun bemerkte die Frau den Besucher am Fenster und trat zu ihm hin.
    Baumer blickte rasch auf das Namensschild, das an der Scheibe angebracht war. Der Name Martina Wander stand darauf.
    Die Frau öffnete das Fensterchen. »Grüezi.«
    »Guten Tag, Frau Wander.«
    »Ja, bitte.«
    »Ich bin Kommissar Baumer von der Kriminalpolizei.«
    »Ich kenne Sie. Ich habe Sie auch schon hier gesehen.«
    »Ich brauche eine Auskunft.«
    Martina Wander lächelte. Das hatte sie sich schon denken können. Heute wollten alle möglichen Polizisten eine Auskunft von ihr. Bereitwillig hatte sie einem eine vertrauliche Zimmernummer herausgegeben. Das hatte ihr gehörig Ärger eingebracht – mehr als Ärger. Sie hatte nun ein Verfahren am Hals. Viel lieber hätte sie den beiden Polizisten ihre eigene private Telefonnummer zugesteckt, aber keiner der feschen Herren hatte sie danach gefragt. Für ein romantisches Rendezvous hätte sie gerne einigen Trubel auf sich genommen.
    Die 60-jährige Frau blickte den Mann an, der vor ihr stand. Der war ganz hübsch. Kurze Haare, schöne braune Augen, ein kleines Bäuchlein. Er blickte ein bisschen missmutig vielleicht. Aber irgendwie süß. Ein schönes Hemd trug er. Das war schon mal nicht schlecht. Wenigstens kein verschmutztes, an den Armbeugen und am Kragen eingerissenes T-Shirt auf dem stand »Beton Müller – Niederdorf.« Wobei – auch einen beschnauzten Trucker aus dem Oberbaselbiet hätte sie genommen. Mit dem Laster über den Hauenstein, weiter Richtung Wallis, eine Spritzfahrt über den Simplon und das ganze Wochenende mit dem Freddy alleine in einer Alphütte. Sie hätte für alles gesorgt und gut gekocht. Sogar Kondome hätte sie mitgenommen, auch wenn keine Gefahr einer Schwangerschaft mehr bestand. Aber wer konnte schon wissen, wo der Freddy vom Beton Müller auf seinen Touren überall Halt gemacht hatte. Ein ganzes langes Wochenende mit einem richtigen Mann. Dazu hätte sie ja

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