In der Hitze der Stadt
würde. Wäre natürlich sowieso nicht möglich gewesen, aber er hat es nicht einmal versucht. Das, obwohl er doch sonst äußerst gläubig tut. Crèmeschnitten isst er nicht, aber ob sein Kind nach muslimischen Riten begraben wird, ist ihm einerlei. Es ist ihm egal, weil es gar nicht sein Kind ist.« Nun hob zur Abwechslung der »Professor« mal seine Hand, um Fingernägel zu inspizieren.
Heinzmann trat zum Mediziner. « Wie hast du das herausgefunden, Regazzoni?«
»Die Wissenschaft, mein Lieber!«, fuhr der Tessiner freudig fort. »Dank ihr konnte ich diesen Sachverhalt klären. Ich habe ja das DNA-Profil des Kindes mit Hilfe der Erbgutanalyse untersucht. Und auch das Blut von Herrn Azoglu. Beide Profile habe ich miteinander verglichen. Da sah ich sofort, Erin Azoglu kann unmöglich der Vater von Emine, also von Mina sein. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen – ergo zweifelsfrei bewiesen.«
Erin Azoglu bewegte sich ein kleines Stück weit nach vorne. Sehr langsam führte er einen Ellenbogen auf sein linkes Knie, stützte sein Kinn in die Hand und schaute den Gerichtsmediziner beherrscht, aber völlig von sich überzeugt an. »Es ist nicht mein Kind. Ist nicht schlimm.« Jetzt zeigte er ein ironisches Lächeln. »Habe ich schon gewusst.«
»Ich vermute aber, dass Sie das erst kürzlich gemerkt haben«, meinte der Mediziner.
»Und, wenn ja? Was machen das schon?« Erin Azoglu ließ sich nicht erschüttern.
Schneider fuhr sich mit der Hand über seinen Mund. Er war Jurist. Er wusste, was der türkische Hausmeister nun sagen würde.
Der Verdächtigte sagte es.
Dieser Nachweis von Regazzoni bewiese noch gar nichts. Er zeige nur, dass er nicht der Vater von Mina war. Das mache ihn aber nicht automatisch zum Hauptverdächtigen, geschweige denn zum Mörder. »Ich war nicht«, beendete Azoglu seine Aussage.
Ali erwiderte etwas auf Türkisch. Prompt herrschte ihn Azoglu an und zischte einen Fluch hinterher, als wäre er ein Istanbuler Großindustrieller, der einen anatolischen Tagelöhner zurechtwies.
Kahraman schwieg, biss sich nur auf die Lippen.
Heinzmann forderte ihn sofort energisch auf, zu erklären, was da eben los war zwischen ihm und Erin Azoglu.
Ali blickte seinen Kumpel, den Wachtmeister, eindringlich an. »Ich glauben, er war.«
Wieder zischte Azoglu seine Verachtung zu seinem Landsmann. Beinahe spuckte er ihn an, hob drohend eine Hand. Dann wandte er sich an Schneider, Regazzoni und die anderen. »Ich weiß, dass Emine nicht mein Blut, weil Emine in Schule Blutgruppe lernt. Sie hat mir erzählt ganz stolz, was gelernt. Ich habe gemerkt: Blutgruppe falsch. Emine ist nicht von meine Blut.«
»Oh, da täuschen Sie sich aber«, erwiderte Regazzoni mit Verve. »Da täuschen Sie sich aber ganz gewaltig.«
*
Die Spannung im Raum war unerträglich. Heinzmann wusste, jetzt geht es um die Wurst. Instinktiv legte er seine Hand an die Waffe im Halfter. Die hatte ihm noch keiner – trotz seiner Suspendierung – weggenommen. Würde auch keiner wagen ...
Der Verdächtigte zeigte hingegen eine erste Unsicherheit. Er versuchte, den Sinn der Worte von Regazzoni zu verstehen. Seine Aufgeregtheit konnte er jetzt nicht mehr verbergen. Er stand auf, sein Gesicht lief rot an. Die Farbe waberte in der Haut.
»Ja, ja, Herr Azoglu, Sie haben mich schon richtig verstanden.« Das war Regazzoni.
»Emine ist nicht mein Blut. Der Spanier war’s.«
»Welcher Spanier?«, entfuhr es Schneider.
»Meine Frau wollte Kind. Unbedingt. Es gehen lange zuerst. Dann plötzlich schwanger. Ich mich fragen, wieso? Dann ich verstehen. Meine Frau haben den Spanier genommen. Jorge, der Nachbar. Dunkler Mann, so ich nicht sollen merken.«
Luftpumpe, ging es Heinzmann durch den Kopf, weil er sich erinnerte, was Clara Werthmüller, die doch so dringend ein Kind bekommen wollte, von ihrem Ehemann gedacht hatte.
»Ein Spanier?« Regazzoni neigte den Kopf zur Seite.
»Ja. Spanier war. Emine nicht mein Blut.«
»Oh, nein, nein, da irren Sie sich, mein lieber Herr.«
Jetzt stellte sich Schneider neben Regazzoni, blickte auf Azoglu hinunter.
Der Gerichtsmediziner hob erneut seinen Zeigefinger. »Die PCR-Resultate sind eindeutig, Herr Azoglu.«
Dieser begann zu schwitzen. Was würde jetzt kommen?
»Sie sind nicht der biologische Vater«, dozierte Regazzoni. »Dafür gibt es tatsächlich zu wenig genetische Übereinstimmungen.«
Erin Azoglu sagte nichts, versuchte erneut einen zynischen Gesichtsausdruck. Es gelang nicht mehr.
Der
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