In der Hitze der Wüstensonne - Out of Sight
Menschen waren. Wie hatte er dem, was man ihm angetan hatte, widerstanden? Wie hatte er überlebt?
Wie war er in dieses Gefängnis geraten? War es sein Fehler gewesen oder der Fehler eines seiner Teammitglieder?
»Es tut mir Leid, es muss die Hölle gewesen sein«, sagte sie leise an seinen Rücken gewandt. Eine massive Untertreibung, das wusste sie. Verdammt, sie war eine ziemlich kluge Frau und wusste eigentlich, wie man eine lebhafte Unterhaltung führte. Aber im Falle Kane Wrights war sie lächerlich ungeschickt und verstockt. Dass er verärgert war, machte es auch nicht besser. Und dass er auf ihren Versuch einer Unterhaltung starrsinnig teilnahmslos reagierte, auch nicht.
AJ grub die Finger in die Handflächen. Sie musste unbedingt auf irgendeiner Ebene zu ihm durchdringen. Sie wollte, dass er mit ihr zufrieden war, mit ihrer Leistung als Einsatzkraft. Sie wollte, brauchte seine Anerkennung. Frustriert grub sie die kurzen Nägel tiefer in ihre weichen Handflächen, bis der reale Schmerz sie von der schmerzlichen Enttäuschung ablenkte, die ihr die Brust abdrückte.
Sie hätte seine Anerkennung nicht so sehr brauchen sollen. Verdammt. Wirklich nicht. Er bedeutete ihr nichts. Er war nur der Boss der Operation. Nur ihr Held. Nur ein Mann, zu dem sie mit verstecktem Blick während der letzten acht Monate ihres Lebens aufgesehen hatte.
Er sah sie über die Schulter an. »Ich war, während du da drin warst, die ganze Zeit über draußen, Cooper«, sagte er leise, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Ich hätte es nicht so weit kommen lassen.«
AJ verspürte eine enorme Welle der Dankbarkeit. »Ich habe mir auch keine Sorgen gemacht.«
Er sah schaute wieder nach vorn. »Gut.«
Spür die Wärme , dachte AJ, während sie seinen Rücken anstarrte. Tau ihn auf .
»Okay, ein paar Sorgen schon«, gab sie zu. »Aber du hast dir sicher auch Sorgen gemacht, als du im Gefängnis warst, oder?«
»Kann mich nicht erinnern.«
»Hättest du was dagegen, mir zu erzählen, warum du da gelandet bist?« Du hast einen Fehler gemacht, richtig?
»Ja.«
AJ wartete einen Herzschlag lang. Lieber Gott, der Mann gab dem Wort »verschlossen« die höheren Weihen. »Halt dich nicht zurück, Kane. Erzähl mir, was du wirklich fühlst, in so vielen Worten, wie es braucht.«
»Gut. Du willst es wissen? Vertrauen wurde missbraucht. Jemand hat sich nicht an die Befehle gehalten«, sagte er nach ein paar Sekunden drückenden Schweigens. »Das Ergebnis war, dass sie fünf gute Männer direkt vor meinem Fenster zu Tode gefoltert haben. Nach einer Weile habe ich darum gebetet, möglichst bald selber dranzukommen. Reicht dir das an Information, Cooper? Oder willst du die blutrünstigen Einzelheiten wissen?«
AJ drückte die Hand auf den Magen. Sie hatte den Akten die nackten Fakten entnommen. Immer und immer und immer wieder. Sie brauchte keine Einzelheiten. Die Bilder hatten sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Und es war vermutlich schlimmer als alles, was sie sich vorstellen konnte.
Kane Wright hatte in seiner achtjährigen Karriere, soweit sie wusste, nie einen Fehler gemacht oder auch nur einen falschen Schritt getan, also musste, wer immer es vermasselt hatte, tot sein. Fühlte er sich in irgendeiner Weise dafür verantwortlich?
»Tut mir Leid, dass ich das ausgegraben habe. Das war dumm von mir. Nur weil ich mir selber Leid tue, habe ich nicht das Recht, deine alten Erinnerungen aufzurühren.«
»Macht mir inzwischen nichts mehr aus.«
Doch das tut es, wollte sie widersprechen, aber mit seinem Rücken zu reden, brachte sie so schnell nirgendwohin. »Tut mir Leid, dass ich gefragt habe.«
»Mir auch, Cooper. Mir auch.«
Sie fuhren das letzte Stück zum elften Stock schweigend, und als die Tür aufging, war er als Erster draußen. AJ holte ihn ein und lief neben ihm den Gang entlang. Die SIG Sauer in der Hand, ließ sie den Blick unablässig umherwandern und behielt die Umgebung scharf im Auge. Raazaqs Männer konnten überall sein.
Wenn sie alleine nach Fayum ging und auch die nächste Gelegenheit vermasselte, konnte sie sich von ihrer T-FLAC-Karriere verabschieden. Andererseits war es so gut wie sicher, dass sie tot war, falls sie die Operation im Alleingang vermasselte. Die Sorgen um ihre Karriere waren vermutlich also rein theoretischer Natur.
Wenn sie mit eingezogenem Schwanz an Bord dieses Flugzeugs ging, dann würde man sie irgendwann in einen neuen Einsatz schicken. In fünfzig Jahren oder so. Oder, und das war
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