In der Hitze jener Nacht
schien plötzlich abzuflauen, und selbst die Hunde wurden ganz still. Auf einmal hatte Maggie das unwirkliche Gefühl, die Welt höre auf, sich zu drehen.
„Was hätte ich denn sagen sollen?“, erwiderte Justice und presste die Zähne zusammen, als hätte jedes seiner Worte einen bitteren Nachgeschmack.
„Du hättest mich bitten können zu bleiben.“
„Nein.“ Er setzte den Weg in Richtung Scheune fort. „Das hätte ich nicht.“
Maggie folgte ihm seufzend.
„Oh nein, du nicht, nicht Justice King“, murmelte sie und stieß mit der Schuhspitze in den Staub. „Ich frage mich allmählich, ob du überhaupt Gefühle hast.“
Wieder blieb er stehen. Aber dieses Mal drehte er sich um und sah sie an. „Ich habe eine Menge Gefühle, Maggie. Kein Mensch weiß das besser als du.“
„Und woher sollte ich das wissen, Justice?“ Aufgebracht hob sie die Hände und ließ sie gleich darauf resigniert wieder sinken. „Du redest ja nicht über das, was dich bewegt. Das hast du noch nie getan. Gut, wir hatten jede Menge Spaß, fantastischen Sex. Aber du hast mir nie die Tür zu deinem Innersten geöffnet, Justice. Kein einziges Mal.“
Seine blauen Augen schimmerten dunkel. „Doch, du durftest einen Blick in mein Innerstes werfen. Du hast nur nicht lange genug hingeschaut, um zu erkennen, wer ich wirklich bin.“
Stimmte das? Maggie war sich nicht sicher. Am Anfang ihrer Ehe hatten sie beide vor Feuer und Leidenschaft regelrecht geglüht. Sie hatten die Hände nicht voneinander lassen können, lange Ausritte genossen und ganze Nachmittage im Bett verbracht. Hätte sie damals jemand gefragt, hätte Maggie sofort geantwortet, sie seien glücklich.
Aber vielleicht war ihre Beziehung tatsächlich anfälliger und oberflächlicher gewesen, als sie angenommen hatte.
Seufzend ließ Maggie die Schultern fallen und betrachtete ihn. Sein Blick schweifte in die Ferne, seine Haltung war betont aufrecht und gerade. Als wollte er sich ihr von seiner stärksten Seite zeigen, weil er spürte, dass sie ihn anschaute.
Das ist so typisch, dachte Maggie. Justice King zeigte keine Schwächen. Er war unfähig, jemanden um einen Gefallen zu bitten – geschweige denn um Hilfe. Er würde niemals zugeben, dass er sie brauchte. Seine Unabhängigkeit war ihm heilig. Obwohl ihr das schon zu Beginn ihrer Beziehung klar geworden war, hatte Maggie immer gehofft, es würde sich eines Tages ändern.
Sie merkte, wie die widersprüchlichsten Emotionen in ihr tobten. Und das gefiel ihr überhaupt nicht. Deshalb bemühte sie sich, ihre Gedanken in die hinterste Ecke ihres Gehirns zu verbannen, um sich später in Ruhe damit zu beschäftigen. Anschließend atmete Maggie tief durch. Sie versuchte, unbefangen zu klingen, als sie das Thema wechselte.
„Also“, sagte sie und warf einen kurzen Blick auf die beiden Hunde, die hinter ihnen hertrotteten. „Warum sind Spike und Angel hier und nicht bei der Herde?“
Er antwortete nicht sofort. Wahrscheinlich ist er erleichtert, weil ich ihn nicht weiter mit Fragen löchere, dachte Maggie.
„Wir bilden gerade zwei neue Hunde aus“, sagte er schließlich. „Phil dachte, es wäre besser, Spike und Angel eine kleine Auszeit zu geben, während die beiden jungen Hunde eingewöhnt werden.“
Sie hatte lange genug als Frau eines Ranchers gelebt, um zu wissen, wie wichtig die Hunde für die Herde waren. Wenn sie die Rinder bewachten, krochen sie zu Stellen und in Nischen, die ein Cowboy zu Pferde niemals erreichen konnte. Der richtige Hund konnte eine Herde zusammentreiben und in Bewegung halten, ohne dass die Rinder in Panik gerieten und einfach losrannten. Das hätte sowohl für den Cowboy als auch die Tiere fatale Folgen.
Die Hunde waren gut ausgebildet und wurden von den Cowboys gehegt und gepflegt. Maggie erinnerte sich daran, wie sie Justice einmal damit aufgezogen hatte, dass Rancher im Prinzip nichts anderes als Schäfer wären. Die hätten immerhin als Erste mit Hunden gearbeitet. Als sie an seine Reaktion dachte, musste Maggie jetzt unwillkürlich lächeln. Lachend hatte Justice sie quer durchs ganze Haus gejagt, bis sie schließlich im Schlafzimmer gelandet waren. Danach hatte er stundenlang versucht, sie dazu zu bewegen, ihre Behauptung zurückzunehmen. Einen Rinderbaron auf eine Stufe mit einem Schäfer zu stellen, war undenkbar.
Spike und Angel liefen an Justice und Maggie vorbei und durch die offen stehende Tür in die große Scheune. Das Gebäude war zwei Stockwerke hoch und im Stil des
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