In der Hitze jener Nacht
hatten sie jetzt ein bisschen Ruhe.
„Verrückt? Ich?“ Justice lachte kurz auf. „Ich bin nicht derjenige, der seine hochschwangere Frau durch die Gegend scheucht, obwohl sie lieber zu Hause bleiben sollte.“
„Bella dreht durch, wenn sie den ganzen Tag im Haus bleiben muss. Außerdem ist es von hier aus nur ein Katzensprung bis zum Krankenhaus – und du lenkst vom Thema ab.“
„Verdammt richtig. Also halt dich zurück!“
Jesse lächelte völlig unbeeindruckt. „Warum sollte ich?“
„Weil es dich nichts angeht.“
„Hat das jemals einen King von irgendetwas abgehalten?“
Auch wieder wahr, dachte Justice und schwieg.
„Sieh mal“, fuhr Jesse fort. „Jeff hat mich angerufen, um zu erzählen, dass er Maggie engagiert hat. Ich dachte, es wäre eine gute Idee, Bella ihrer Schwägerin vorzustellen. Niemand hat mir gesagt, dass du einen Sohn hast.“
„Habe ich auch nicht.“
Laut lachte Jesse auf. „Du bist so damit beschäftigt, ein Kotzbrocken zu sein, dass du gar nichts mehr mitkriegst, oder?“
„Ich werde nicht mit dir darüber reden, Jesse.“
„Meinetwegen. Dann rede ich eben. Und du hörst zu.“
Eine große Wolke schob sich vor die Sonne und warf einen Schatten auf die Veranda. Schlagartig wurde es kühl. Justice funkelte seinen Bruder verärgert an.
Jesse ließ das allerdings kalt. Er setzte sich aufrecht hin, stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel und hielt sein Bier zwischen den Händen. „Ich dachte, dass dir das Bein Probleme bereitet und nicht die Augen.“
„Was willst du damit sagen?“
„Damit will ich dir sagen, Jonas ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten, du sturer Hund. Wenn du das nicht siehst, bist du blind!“
„Nur weil er schwarze Haare und blaue Augen hat, ist er noch lange nicht mein Sohn.“
„Es geht doch nicht nur darum, und das weißt du auch. Sieh dir seine Gesichtszüge an. Seine Nase, seine Hände. Verdammt, Justice, er sieht aus wie eine Miniausgabe von dir.“
„Er kann es nicht sein.“
„Herrje, warum denn nicht?“ Jesse sah ihn prüfend an. „Warum kann er nicht dein Sohn sein?“
Aufgewühlt stemmte Justice sich umständlich vom Stuhl hoch und griff nach dem verhassten Gehstock. Er ging ein paar Schritte und starrte auf den Rosengarten. Schließlich erzählte Justice seinem Bruder, was er bisher keinem anvertraut hatte. „Weil ich keine Kinder haben kann.“
„Wer hat das gesagt?“
Justice lachte heiser auf. Er hatte nicht ernsthaft erwartet, dass sein Bruder taktvoll reagierte. „Ein Arzt. Nach dem Unfall, bei dem Mom und Dad gestorben sind. Als ich wochenlang ans Bett gefesselt gewesen bin.“
„Davon hast du nie etwas erzählt.“
Erneut lachte Justice auf. Er merkte, wie verbittert er klang. „Hättest du das etwa getan?“
„Nein“, antwortete Jesse, stand auf und trat neben ihn. „Ich glaube nicht. Aber Ärzte können sich irren, Justice.“
Er trank einen Schluck Bier und wünschte, das kühle Getränk könnte das Gefühl der Demütigung wegspülen, das heiß in ihm brodelte. „Nicht in dieser Angelegenheit.“
„Gott, du bist so ein Idiot!“
„Langsam habe ich die Nase voll von Menschen, die mich beleidigen und beschimpfen“, murmelte Justice.
„Du verdienst es aber. Woher willst du wissen, ob dieser Arzt recht hatte?“ Jesse stellte sich direkt vor seinen Bruder, sodass Justice ihn ansehen musste. „Hast du je eine zweite Meinung eingeholt?“
„Meinst du, ich hätte mir diese Hiobsbotschaft ein zweites Mal angehört?“
Fassungslos sah Jesse ihn an und schüttelte Kopf. „Ich weiß nicht … Du hättest doch bloß erfahren, ob der Typ recht hatte oder nicht. Justice, bei deinen Rindern holst du doch auch immer den Rat eines zweiten Veterinärs ein. Wieso tust du es dann nicht, wenn es um dich geht?“
Justice rieb sich übers Gesicht und trank einen weiteren Schluck Bier. Er hasste es, sich rechtfertigen zu müssen. Noch weniger gefiel ihm die Vorstellung, dass sein Bruder recht haben könnte. Was, wenn es tatsächlich eine Fehldiagnose gewesen war? Plötzlich begann sein Herz heftig zu klopfen. Ihm wurde der Mund trocken.
Wenn das wahr wäre, dann hätte er Maggie grundlos aus seinem Leben verbannt! Und was noch schlimmer war: Er hätte einen Sohn, den er bloß flüchtig kannte!
„Nein“, wiederholte Justice und verdrängte den Gedanken wieder. „Das ist unmöglich.“
„Warum?“, insistierte Jesse. „Weil du dann zugeben müsstest, dass du Maggie unrecht getan und deinen
Weitere Kostenlose Bücher