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In der Mitte des Lebens

Titel: In der Mitte des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Käßmann
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Freundschaft ist zwischen uns entstanden seit meiner Wahl in den obersten Leitungsausschuss 1991 bei der Vollversammlung in Canberra. Wir haben uns damals beim Italiener auf dem Campus getroffen, und in einem Überschwang habe ich mich dir anvertraut, als du fragtest, ob ich immer so viele Oliven esse. »Nein«, habe ich gesagt, »aber ich bin schwanger und habe einfach Heißhunger darauf. Das darf aber niemand wissen, sonst kann ich nicht indiesen Ausschuss.« Du hast gelacht und sofort mehr Oliven bestellt … So habe ich dir mein Herz ausgeschüttet, darüber, dass es doch schon umstritten gewesen war, mit drei Kindern im zentralen Ausschuss zwischen den Vollversammlungen zu sein und jetzt mit vieren im obersten Gremium …
    Wenn ich mich richtig erinnere, hast du mich von da an immer vom Flughafen abgeholt, wenn ich nach Genf kam. Besonders verbunden hat uns wohl 1992 die Wahl des neuen Generalsekretärs. Wir haben viel debattiert in deinem Büro mit anderen, gemeinsam gezittert, je an unserem Ort gekämpft und zusammen gefeiert, als es Konrad Raiser wurde.
    Der Exekutivausschuss tagte bald darauf in Rumänien. Irgendwo gibt es ein Foto, das uns beide zeigt, wie wir etwas missmutig vor einer Kirche sitzen. Was für ein Treffen! Ceaucescus Bukarest war trostlos: alles Grau in Grau, kein Baum, kein Strauch. Bei dem Versuch, ein Café zu finden, landeten wir auf uralten Plastikstühlen im Stadtzentrum mit einer warmen braunen Brühe vor uns. Die Atmosphäre der orthodoxen Kirche hat uns beiden gezeigt, wie nahe sich Westeuropäer sind, ob nun aus Holland oder Deutschland, vielleicht auch, wie nahe sich Evangelische sind, ob nun reformiert wie du oder lutherisch wie ich.
    Ja, die Niederlande und Deutschland, das war immer ein Thema: die kulturelle Nähe, die uns deutlich wurde vor allem im Miteinander mit Menschen aus so vielen Kulturen, aber auch die geschichtlichen Brüche, die Vorurteile, die es gibt. Erinnerst du dich an das 50-jährige Jubiläum des ÖRK 1998? Ich hatte »die Ehre«, in Amsterdam eine Rede zu halten. Und ich war fasziniert von der Leichtigkeit der Niederländer. Bis der Empfang mit der Königin kam – war das förmlich! Da hast du dann »deine« Königin heftig verteidigt, das hat mich wirklich erstaunt, da wurden kulturelle Unterschiede deutlich.
    Die Hälfte deines Lebens hast du beim ÖRK verbracht. Wir haben das eben ja ausgerechnet: bei 20 Büchern, die du im Durchschnitt pro Jahr in der Herausgeberschaft begleitet hast, waren das in 30 Jahren 600 Bücher. Natürlich musste ich lachen, als du gesagt hast: »Viele musste ich ermutigen, zu schreiben, aber noch mehr davon abhalten!« Nie hätte ich – außer meiner Dissertation, aber das ist etwas anderes – ein eigenes Buch geschrieben, wenn du mich nicht ermutigt hättest. Du hast gesagt: »Du bistengagiert, das Programm zur Überwindung der Gewalt braucht eine Basis, also versuch es doch bitte. Ich bin überzeugt, du kannst es und wir helfen dir!« Und dann habe ich geschrieben und Marlin, der Lektor, sagte: »Dein deutsches Englisch sollte nicht verfälscht werden, ich gebe dir nur ein paar Tipps, lass es sonst so.« Das war klasse!
    In deinem Rundbrief schreibst du: »Neulich habe ich festgestellt, dass ich für den Ökumenischen Rat und die ökumenische Bewegung mehr als die Hälfte meines Lebens gearbeitet habe. Ich schätze mich glücklich, dass die Kommunikationsabteilung meine Heimat wurde, es ist ein wundervoller Arbeitsplatz, noch heute.« Ja, ich habe das erlebt. Das war dein Ort, da war ein Kommen und Gehen. Ob unsere gemeinsame Freundin Ann-Marie Agaard aus Dänemark eine Zentralausschusssitzung ohne deinen Zigarettennachschub durchgestanden hätte? Du und Marlin Van Elderen und eure gegenüberliegenden Büros, daran erinnere ich mich gut. Du der ewig quirlige, kommunikative, bei dem alle ein und aus gingen, auch wegen dem stets gefüllten Kühlschrank, Marlin, der ruhige, der Beobachter, derjenige, der Texte bis zum i-Punkt redigierte. Zwischen euch gab es das, was man wohl Männerfreundschaft nennt. Ihr habt nie darüber gesprochen, aber es war offensichtlich. Als Marlin, der drei Jahre jünger war als du, so plötzlich an Pfingsten 2000 starb, hast du dich – so hatte ich den Eindruck – verletzt gefühlt. Du hattest ihn gebeten, dich angesichts deiner Erkrankung zu begleiten auf dem letzten Weg, und nun starb er einfach. Danach habe ich dich verzagter erlebt als vorher.
    Am Telefon habe ich gefragt, was denn nun der

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