Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
diesen schlendernden Gang, als wäre die ganze Welt ein extra für ihn errichteter Vergnügungspark. Im Vorbeigehen griff er sich einen Stuhl, so wie auch Bones und Brenny Loomis, die ihm auf den Fuß folgten. An Joes Tisch angekommen, stellten sie die Stühle ab und setzten sich – Albert neben Joe, während Loomis und Bones links und rechts von Graciela Platz nahmen und Joe mit ausdruckslosen Mienen fixierten.
    »Wie lang ist es her?«, sagte Albert. »Etwas mehr als zwei Jahre?«
    »Zweieinhalb«, sagte Joe und nippte an seinem Kaffee.
    »Glaube ich dir gern«, sagte Albert. »Im Knast lernt man ja, die Tage zu zählen.« Er griff über Joes Arm, nahm sich ein Würstchen von seinem Teller und biss hinein wie in ein Hühnerbein. »Wieso hast du deine Wumme stecken lassen?«
    »Vielleicht habe ich ja keine dabei.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Als Geschäftsmann hast du sicher kein gesteigertes Interesse an einer Schießerei in einem öffentlichen Lokal, Albert.«
    »Im Gegenteil.« Albert ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Das Ambiente ist doch perfekt. Schön hell, beste Sicht, nicht zu viel Kram, der im Weg steht.«
    Die Cafébesitzerin, eine nervöse Kubanerin Mitte fünfzig, wirkte plötzlich noch nervöser. Sie spürte die negative Energie zwischen den Männern und wünschte nichts sehnlicher, als dass sich diese Energie schleunigst wieder verflüchtigte. Bei ihr am Tresen saß ein älteres Paar, das bislang nichts mitbekommen hatte und sich nicht einigen konnte, ob es sich abends einen Film im Tampa Theatre oder Tito Broca und seine Band im Tropicale ansehen sollte.
    Ansonsten war das Café leer.
    Joe sah zu Graciela. Ihre Augen waren etwas größer als sonst, doch davon abgesehen wirkte sie ganz ruhig; weder zitterten ihr die Hände, noch atmete sie schneller.
    Albert biss abermals in das Würstchen und beugte sich zu ihr. »Wie heißt du, Schätzchen?«
    »Graciela.«
    »Bist du ’ne hellhäutige Schwarze oder ’ne dunkle Latina? Ich kann das nicht unterscheiden.«
    Sie lächelte ihn an. »Ich komme aus Österreich. Sieht man das nicht?«
    Albert gab ein dröhnendes Lachen von sich. Er schlug sich auf die Schenkel, ließ die flachen Hände auf die Tischplatte niedergehen, und selbst das ältere Paar war jetzt auf sie aufmerksam geworden.
    »Köstlich, einfach köstlich.« Er sah zu Loomis und Bones. »Österreich.«
    Die beiden verstanden nur Bahnhof.
    »Österreich!«, wiederholte er und winkte seufzend ab, das Würstchen immer noch in der einen Hand. »Vergesst es.« Er wandte den Kopf. »Und wie heißt unsere österreichische Freundin mit vollem Namen?«
    »Graciela Dominga Maela Corrales.«
    Albert pfiff durch die Zähne. »Das ist ja ein ziemlicher Zungenbrecher, aber ich wette, du hast auch sonst eine recht flinke Zunge, nicht wahr, Schätzchen?«
    »Lass es, Albert«, sagte Joe. »Halt sie da raus, okay?«
    Albert wandte sich wieder zu Joe, während er den Rest des Würstchens verspeiste. »Denk mal zurück. Ist leider nicht meine Stärke, Frauen außen vor zu lassen.«
    Joe nickte. »Was willst du von mir?«
    »Ich würde gern erfahren, warum du im Knast nichts dazugelernt hast. Oder warst du zu sehr damit beschäftigt, deinen Arsch hinzuhalten? Und kaum bist du draußen, versuchst du auch schon, es mit mir aufzunehmen. Mal ehrlich, haben sie dir da drin ins Hirn geschissen?«
    »Vielleicht wollte ich dich einfach nur ein bisschen aufscheuchen«, sagte Joe.
    »Das hast du jedenfalls fein hinbekommen«, erwiderte Albert. »Meine Bars, meine Restaurants, meine Billardsalons, alle meine Speakeasys von hier bis Sarasota – egal, mit wem ich spreche, alle erzählen mir, dass ich keinen Cent mehr von ihnen sehe. Die Kohle geht jetzt an dich. Und als ich mit Esteban Suarez reden will, stehen da mehr bewaffnete Wachposten als vor dem Kriegsministerium, und der Kerl denkt gar nicht daran, sich auch nur zu zeigen. Und du mit deinen paar Spaghettifressern und Niggern…«
    »Kubanern.«
    Albert nahm sich einen Toast von Joes Teller. »Glaubst du ernstlich, du könntest mich aus dem Geschäft drängen?«
    Joe nickte. »Und ob. Die Sache ist gelaufen.«
    Albert schüttelte den Kopf. »Sobald du unter der Erde bist, werden die Suarez ganz schnell klein beigeben, und dann ist alles wieder beim Alten.«
    »Wenn du mich umlegen wolltest, hättest du’s längst getan. Du bist hier, um zu verhandeln.«
    Abermals schüttelte Albert den Kopf. »Da irrst du dich gewaltig, mein Freund. Ich wollte dich nur

Weitere Kostenlose Bücher