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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition)
Autoren: Dennis Lehane
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emporragte.
    Der Wagen wurde zur Seite gerissen, als er mit dem Kühler frontal dagegenkrachte. Dass er dabei aus dem Wagen geschleudert wurde, bekam Joe erst mit, als er gegen einen nahegelegenen Baum knallte. Dort blieb er liegen, übersät von Glassplittern und Kiefernnadeln, verschmiert von seinem eigenen Blut. Er dachte an Emma, dachte an seinen Vater. Die Luft roch nach verbranntem Haar, und er warf einen Blick auf seinen Unterarm, nur für den Fall, doch da war nichts. Er setzte sich auf und wartete, dass ihn die Polizei von Pittsfield verhaftete. Rauch trieb durch die Bäume, schwarz und ölig, aber nicht allzu dicht, schlängelte sich um die Baumstämme, als würde er nach jemandem suchen. Schließlich ging Joe auf, dass ihm offenbar doch keine Cops zu Leibe rücken würden.
    Als er sich aufrappelte und den Blick schweifen ließ, konnte er den zweiten Streifenwagen nirgends sehen. Unweit des schrottreifen Essex erblickte er den anderen, aus dem der Cop mit der Maschinenpistole auf ihn geschossen hatte; auf die Seite gekippt, lag er mitten im Feld, gut zwanzig Meter von der Stelle entfernt, wo er ins Schleudern gekommen war.
    Die herumfliegenden Glassplitter hatten seine Hände böse zugerichtet. Seine Beine hatten nichts abbekommen. Sein Ohr blutete immer noch. Warum, verriet ihm ein Blick in das noch intakte Fenster auf der Fahrerseite des Essex. Sein linkes Ohrläppchen war Geschichte – sauber abgetrennt wie mit einem Barbiermesser. Durch die Scheibe erspähte er die Ledertasche, in der sich die Beute und die Pistolen befanden. Die Tür klemmte, und er musste sich mit dem Fuß gegen die Fahrertür stemmen, die als solche nicht mehr zu erkennen war; er zog mit aller Kraft, bis ihm schwindelig und kotzübel wurde, und just in dem Moment, als er dachte, dass er sich wohl besser einen großen Stein suchte, um die Scheibe einzuschlagen, gab die Tür mit einem lauten Ächzen nach.
    Er nahm die Tasche und hielt auf das Wäldchen zu, wo er nach ein paar Metern auf einen brennenden Baum stieß; die beiden größten Äste umrahmten den Feuerball in der Mitte wie die Arme eines Mannes die um seinen Kopf lodernden Flammen. Brennendes Laub trudelte um ihn herum zu Boden, als er ins Unterholz führende Reifenspuren entdeckte. Dahinter ein zweiter brennender Baum und ein kleiner Busch; die Reifenspuren wurden dunkler, schmieriger. Nach etwa fünfzig Metern erreichte er einen Teich. Dunst waberte über dem Wasser. Der Streifenwagen, der ihn gerammt hatte, war brennend in den Teich gestürzt; das Wasser reichte bis zu den Fenstern, und ein paar ölige blaue Flammen tanzten über das verkohlte Dach. Die Fenster waren zerborsten. Die Einschusslöcher im Kofferraum sahen aus wie platt gedrückte Bierdosen. Der Fahrer hing halb aus seinem Fenster. Seine Leiche war völlig verkohlt, was das Weiß seiner Augen umso stärker hervortreten ließ.
    Joe watete in den Teich, bis er auf der Beifahrerseite stand; das Wasser ging ihm bis zu den Hüften. Außer dem Fahrer befand sich keine andere Person im Wagen; um ganz sicherzugehen, steckte er den Kopf durch das Fenster, auch wenn er der Leiche damit unangenehm nahe kam. Als ihm der heiße Gestank verbrannten Fleischs ins Gesicht schlug, wich er unwillkürlich zurück. Er war sicher, dass zwei Cops in dem Wagen gesessen hatten. Abermals roch er verkohltes Fleisch.
    Der andere lag am Rand des Teichs, mit dem Rücken auf dem sandigen Boden; seine linke Körperhälfte war so schwarz wie die seines Partners, das Fleisch der rechten verschrumpelt, aber noch weiß. Er war etwa so alt wie Joe. Sein rechter Arm deutete nach oben. Offenbar hatte er sich damit aus dem brennenden Wagen gezogen und war mit noch ausgestrecktem Arm rücklings tot ins Wasser gefallen.
    Trotzdem sah es aus, als würde er auf Joe zeigen, und an der Botschaft gab es nichts zu deuteln:
    Du bist schuld.
    Du und sonst niemand. Jedenfalls niemand, der noch lebt.
    Die erste Termite, das bist du.

4
    Ein Loch in der Welt
    Zurück in der Stadt, entledigte er sich des Wagens, den er in Lenox gestohlen hatte, und stieg in einen Dodge um, der ihm in der Pleasant Street in Dorchester ins Auge fiel. Damit fuhr er zur K Street in South Boston, parkte dem Haus gegenüber, in dem er aufgewachsen war, und erwog seine Alternativen. Viele waren es nicht. Und gegen Abend konnte er diese wenigen wahrscheinlich ebenfalls vergessen.
    Die Zeitungen berichteten alle in ihren Spätausgaben:
    DREIFACHER POLIZISTENMORD IN PITTSFIELD
    (The
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