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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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der sich in Polizeigewahrsam befindet, wollen sie, dass derjenige entweder erhängt in seiner Zelle aufgefunden oder ›auf der Flucht‹ erschossen wird. Deine Leichtgläubigkeit in solchen Angelegenheiten ist wahrlich erschreckend, Joseph. Hör mir jetzt bitte ganz genau zu.«
    Joe erschrak beinahe, als er sah, welch tiefe Zuneigung, welch tiefe Sorge im Blick seines Vaters lag. Sein Vater, das war offensichtlich, hatte sein Leben gelebt und schien Bilanz ziehen, ihm etwas Fundamentales mitteilen zu wollen.
    »Ich werde niemanden töten, ohne dafür einen triftigen Grund zu haben.«
    »Auch keinen Mörder?«, sagte Joe.
    »Auch keinen Mörder.«
    »Der Dreckskerl hat eine Frau auf dem Gewissen, die ich geliebt habe.«
    »Du hast doch gesagt, sie wäre noch am Leben.«
    »Das ist nicht der Punkt«, sagte Joe.
    »Nein«, stimmte sein Vater zu. »Der Punkt ist, dass ich keinen Mord begehen werde. Für niemanden, und erst recht nicht für diesen Itaker, mit dem du dich verbrüdert hast.«
    »Ich muss hier drin überleben«, gab Joe zurück. »In der Hölle. «
    »Und du musst tun, was immer dafür nötig ist.« Thomas Coughlin nickte; seine grünen Augen schimmerten heller als sonst. »Und ich würde dir nie einen Vorwurf daraus machen. Aber ich werde keinen Mord begehen.«
    »Nicht einmal für mich?«
    »Gerade nicht für dich.«
    »Dann werde ich hier drin sterben, Dad.«
    »Möglich, ja.«
    Joe senkte den Blick, und plötzlich verschwamm alles vor seinen Augen. »Und zwar ziemlich bald.«
    »Wenn es dazu kommt« – die Stimme seines Vaters war nur noch ein Flüstern –, »wird es mir das Herz brechen. Aber ich werde keinen Mord für dich begehen, Joseph. Ich würde für dich töten, aber Mord ist nicht drin, in hundert Jahren nicht.«
    Joe blickte auf. Er schämte sich, wie tränenfeucht seine Stimme klang, als er das Wort über die Lippen brachte: »Bitte.«
    Sein Vater schüttelte den Kopf. Langsam. Matt.
    Tja, das war’s dann wohl. Es gab nichts mehr zu sagen.
    Joe stand auf.
    »Warte«, sagte sein Vater.
    »Was gibt’s denn noch?«
    Sein Vater richtete den Blick auf den Wärter, der hinter Joe an der Tür lehnte. »Steht der Heini da auf Masos Gehaltsliste?«
    »Ja. Wieso?«
    Sein Vater zog seine Taschenuhr hervor. Dann löste er sie von der Kette.
    »Nein, Dad. Nein.«
    Thomas steckte die Kette zurück in die Weste und schob die Uhr über den Tisch.
    Mühsam versuchte Joe, die Tränen zurückzuhalten. »Das kann ich nicht.«
    »Und ob du es kannst.« Sein Vater sah ihn durch das Drahtgeflecht an, als hätte irgendetwas in ihm Feuer gefangen; all die Erschöpfung, all die Hoffnungslosigkeit war mit einem Mal aus seinen Zügen gewichen. »Das Stück Metall hier ist ein Vermögen wert. Aber am Ende ist es trotz allem bloß ein Stück Metall. Du kannst dir damit dein Leben erkaufen. Hast du mich verstanden? Du gibst die Uhr dem Scheiß-Itaker und kaufst dich frei.«
    Joe schloss die Finger um die Uhr. Sie war noch warm, und einen Moment lang kam es ihm vor, als hielte er ein pochendes Herz in der Hand.
    Schon im Speisesaal musste er mit der Wahrheit herausrücken. Er hatte es nicht vorgehabt, war davon ausgegangen, die Sache noch ein wenig hinausschieben zu können. Während der Mahlzeiten saß Joe mit Pescatores Männern zusammen, aber nicht an dem Tisch, an dem Maso mit seinen engsten Vertrauten speiste. Ihm war der Nebentisch vorbehalten mit Typen wie Rico Gastemeyer, der für die illegalen Lotteriespiele zuständig war, und Larry Kahn, der im Quartier der Wärter in den Kloschüsseln Fusel brannte. Joe kam direkt von der Unterredung mit seinem Vater und nahm gegenüber von Rico und Ernie Rowland Platz, einem Geldfälscher aus Saugus. Im selben Augenblick schob Hippo Fasini, einer von Masos treuesten Gefolgsleuten, die beiden so weit beiseite, dass Joe direkt zu Maso hinübersah.
    »Also, wann können wir damit rechnen?«, fragte Maso.
    »Sir?«
    Maso sah enttäuscht aus, wie immer, wenn er sich wiederholen musste. »Joseph.«
    Joes Kehle war wie zugeschnürt. »Er macht nicht mit.«
    Naldo Aliente, der neben Maso saß, schüttelte den Kopf und lachte leise in sich hinein.
    »Er hat abgelehnt?«, sagte Maso.
    Joe nickte.
    Maso warf erst Naldo, dann Hippo Fasini einen Blick zu. Eine Weile sprach keiner ein Wort. Joe sah auf seinen Teller, sich nur allzu bewusst, dass sein Essen kalt wurde, dass er dringend etwas zu sich nehmen musste – wer hier drin Mahlzeiten ausließ, schwächte sich nur selbst.
    »Sieh

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