In der Nacht (German Edition)
gestoßen.
»Gut«, sagte Danny. »Das ist gut.«
»Es ist scheiße«, erwiderte Joe. »Aber so liegen die Dinge nun mal.«
Ein paar Augenblicke saßen sie sich schweigend gegenüber. Gedämpft drang das langgezogene Heulen einer Fabriksirene von draußen zu ihnen herein.
»Hast du eine Ahnung, wo ich Con finden kann?«, fragte Danny.
Joe nickte. »In der Silas-Abbotsford-Schule.«
»Dem Blindenheim? Was treibt er denn da?«
»Er lebt dort«, gab Joe zurück. »Eines Morgens ist er aufgewacht und hat alles hinter sich gelassen.«
»Hmm«, sagte Danny. »So ein Schicksalsschlag kann einen schon verbittern.«
»Das war er schon lange vorher.«
Danny stimmte ihm mit einem Schulterzucken zu, und eine Weile fiel abermals kein Wort zwischen ihnen.
Schließlich sagte Joe: »Wo hast du Dad gefunden?«
»Na, was glaubst du?« Danny ließ seine Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus; Rauch drang aus seinem Mund, während der Anflug eines Lächelns seine Lippen umspielte. »Draußen auf seinem Verandastuhl. Mit Blick auf seinen…« Danny senkte den Kopf und hob hilflos die Hände.
»Garten«, sagte Joe.
9
Väter und Söhne
Selbst im Gefängnis war man nicht völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Im Sport drehte sich in jenem Jahr alles um die New York Yankees und ihr Mörder-Team um Combs, Koenig, Ruth, Gehrig, Meusel und Lazzeri. Ruth allein schlug schwindelerregende sechzig Homeruns, und die anderen fünf waren derart überlegen, dass nur noch die Frage blieb, wie hoch sie die Pirates in der World Series schlagen würden.
Joe, ein wandelndes Baseball-Lexikon, hätte so ziemlich alles dafür gegeben, seine Mannschaft spielen zu sehen, da ihm klar war, dass es ein solches Team wohl nie wieder geben würde. Dennoch hatte er während seiner Zeit in Charlestown eine tiefe Verachtung für alle entwickelt, die ein paar Baseballspieler als Mörder-Team bezeichneten.
Wenn ihr so scharf auf Mörder-Teams seid, dachte er an jenem Abend kurz vor Einbruch der Dunkelheit, lasst euch doch einfach mal hier blicken .
Auf die Mauerkrone des Gefängnisses gelangte man durch eine Tür am Ende von Block F im obersten Zellengang des Nordflügels. Unbemerkt zu dieser Tür zu kommen war schlicht unmöglich. Um überhaupt in den Trakt zu gelangen, musste er durch drei separate Sicherheitsschleusen. Dann lag der verlassene Gang vor ihm. Obwohl das Zuchthaus völlig überbelegt war, standen die zwölf Zellen hier oben leer; obendrein waren sie sauberer als ein Taufbecken in der gepflegtesten Kirche von Beacon Hill.
Als Joe den Gang hinuntermarschierte, sah er, wie das möglich war – jede einzelne wurde von einem Häftling gewischt. Die hochgelegenen Fenster, identisch mit dem in seiner eigenen Zelle, gaben den Blick auf je ein kleines Rechteck Himmel frei. Die dunkelblauen Ausschnitte des Firmaments waren fast schwarz, und Joe fragte sich, ob die Jungs von der Putzkolonne die Hand vor Augen sehen konnten. Nur der Zellengang war beleuchtet. Vielleicht würden die Wärter ja Laternen bereitstellen, wenn gleich die Nacht hereinbrach.
Nur dass keine Wärter zugegen waren. Bloß der, der ihm vorausging, derselbe, der ihn bereits in den Besucherraum zu Danny geführt und wieder zurückgebracht hatte, der Bursche mit dem Stechschritt, der deshalb irgendwann noch mal Probleme kriegen würde, weil nämlich Vorschrift war, dass der Häftling vorauslief. Ging ein Wärter voran, forderte er krumme Touren regelrecht heraus – und genau deshalb war es für Joe auch kinderleicht gewesen, das messerscharfe Mordinstrument vom Handgelenk zu lösen und zwischen seine Arschbacken wandern zu lassen. Nun wünschte er allerdings, er hätte vorher geübt. Tatsächlich war es alles andere als einfach, mit zusammengekniffenem Hintern herumzulaufen und dabei einigermaßen natürlich zu wirken.
Doch wo steckten die anderen Wärter? Wenn Maso seine nächtlichen Spaziergänge unternahm, war hier oben immer leichte Besetzung; zwar standen nicht alle auf seiner Gehaltsliste, doch diejenigen, die nicht geschmiert wurden, hätten niemals ihre Kollegen verpfiffen. Aber Joe ahnte Böses, und mit jedem Schritt bestätigten sich seine Befürchtungen – hier oben war kein einziger Wärter. Und dann wurde ihm klar, wer in den Zellen saubermachte:
Ein echtes Mörder-Team.
Basil Chigis’ spitzer Schädel war unverkennbar. Nicht mal die gefängnisübliche Strickmütze konnte ihn verbergen, während er seinen Mop in der siebten Zelle schwang. Der
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