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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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wechseln. Aber es war ihm egal. Er wollte etwas in Worte fassen, für das es keine Worte gab.
    Maso wich Joes Blick aus.
    Joe nickte. »Herzversagen. Und ich gebe mir die Schuld daran.« Unvermittelt trat er dem Alten so heftig auf den Fuß, dass dieser jäh einen Satz nach hinten machte. Joe bleckte die Zähne. »Und Ihnen genauso, verdammt noch mal.«
    »Dann töte mich«, sagte Maso, doch es klang ziemlich lahm. Er sah kurz über die Schulter, ehe er den Blick wieder auf Joe richtete.
    »Tja, genau das ist mir aufgetragen worden.«
    »Von wem?«
    »Lawson«, sagte Joe. »Da unten wartet eine ganze Armee auf Sie – Basil Chigis, Pokaski, Emils versammelte Psychopathenbande. Naldo und Hippo?« Joe schüttelte den Kopf. »Die sind definitiv Geschichte. Falls ich es vermasseln sollte, kriegen Sie es postwendend mit Lawsons Jagdgesellschaft zu tun.«
    Ein Hauch von Trotz mischte sich in Masos Tonfall. »Und du glaubst, dich lassen sie leben?«
    Darüber hatte Joe lange nachgedacht. »Wahrscheinlich. Der Krieg zwischen Albert und Ihnen hat eine Menge Menschenleben gekostet. Es sind nicht mehr allzu viele übrig, die fehlerfrei ›Omelett‹ buchstabieren und auch noch eins zubereiten können. Außerdem kenne ich Albert. Wir hatten mal was gemein. Und so, wie ich es sehe, hat er mir ein Friedensangebot unterbreitet – leg Maso um, und komm zurück in die Gemeinschaft.«
    »Und warum hast du’s nicht getan?«
    »Weil ich Sie nicht umlegen will.«
    »Nein?«
    Joe schüttelte den Kopf. »Ich will Albert zerstören.«
    »Ihn töten?«
    Maso kramte nach seinen französischen Zigaretten und zündete sich, immer noch kurzatmig, eine an. Schließlich sah er Joe in die Augen und nickte. »Also, meinen Segen hast du.«
    »Den brauche ich nicht«, erwiderte Joe.
    »Ich werde nicht versuchen, es dir auszureden«, sagte Maso, »aber welcher Profit lässt sich schon aus Racheakten schlagen?«
    »Es geht nicht um Profit.«
    »Das ganze Leben dreht sich um Profit. Um Profit oder Aufstieg.« Maso sah ihn an. »Und wie kommen wir hier lebend wieder runter?«
    »Steht irgendeine von den Turmwachen in Ihrer Schuld?«
    »Der Mann auf dem Turm direkt über uns«, sagte Maso. »Die beiden anderen halten sich an den, der die meiste Kohle bietet.«
    »Kann Ihr Mann die Wärter drinnen alarmieren? Dann könnten sie Lawsons Leute einkesseln und hopsnehmen.«
    Maso schüttelte den Kopf. »Wenn nur ein Wärter auf Lawsons Gehaltsliste steht, sind seine Jungs schneller hier oben, als wir mit der Wimper zucken können.«
    »Schöne Scheiße.« Joe atmete tief aus und blickte sich um. »Dann ziehen wir es eben auf die schmutzige Tour durch.«
    Während Maso mit der Turmwache sprach, ging Joe zur Falltür zurück. Wenn es ans Sterben ging, dann wahrscheinlich jetzt. Er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sich womöglich jede Sekunde eine Kugel in seinen Kopf oder seine Brust bohren würde.
    Joe warf einen Blick zurück. Maso hatte den Mauerpfad verlassen, so dass er nichts als die im dräuenden Dunkel liegenden Wachtürme sah. Keine Sterne, kein Mond, nichts als Finsternis.
    Er öffnete die Falltür und rief: »Die Sache ist gegessen.«
    »Hast du was abbekommen?«, rief Basil Chigis von unten zurück.
    »Nein. Aber ich brauche frische Klamotten.«
    Jemand lachte im Dunkeln.
    »Dann komm runter.«
    »Kommt hoch. Wir müssen noch seine Leiche wegschaffen.«
    »Das können wir auch…«
    »Bevor ihr herauskommt, hebt die rechte Hand, und haltet Daumen und Zeigefinger hoch. Falls jemandem der eine oder andere Finger fehlen sollte, bleibt er besser unten.«
    Er entfernte sich von der Falltür, bevor jemand Einspruch erheben konnte.
    Etwa eine Minute später hörte er, wie der Erste von ihnen die Treppe erklomm. Mit zwei erhobenen Fingern reckte sich die Hand aus dem Loch. Das Licht des Turmscheinwerfers huschte darüber hinweg. »Alles klar«, zischte Joe.
    Es war Pokaski, der Kerl, der seine Familie geröstet hatte. Vorsichtig reckte er den Kopf und blickte sich um.
    »Beeil dich«, sagte Joe. »Und gib den anderen Bescheid. Wir brauchen Verstärkung. Totes Gewicht ist doppelt so schwer, und meine Rippen sind angeknackst.«
    Pokaski grinste. »Ich dachte, du wärst nicht verletzt.«
    »Nicht tödlich jedenfalls«, gab Joe zurück. »Jetzt mach schon.«
    »Noch zwei«, rief Pokaski mit gedämpfter Stimme zu den anderen hinunter.
    Kurz darauf folgten Basil Chigis und ein kleiner Bursche mit Hasenscharte. Joe wusste, wie er hieß – Eldon

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