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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Douglas –, konnte sich aber nicht erinnern, was für ein Verbrechen er begangen hatte.
    »Wo liegt die Leiche?«, fragte Basil Chigis.
    Joe deutete ins Dunkel.
    »Also, dann…«
    Plötzlich fiel der Lichtkegel auf Basil Chigis, und nur einen Sekundenbruchteil später schlug auch schon eine Kugel in seinem Hinterkopf ein, trat mitten durch sein Gesicht wieder aus und riss dabei einen Teil seiner Nase mit sich. Pokaski blieb gerade noch genug Zeit, ein letztes Mal zu blinzeln, als unvermittelt ein Loch in seiner Kehle klaffte, aus dem sich ein Blutstrom ergoss; er stürzte zu Boden, und seine Beine zuckten im Todeskampf. Eldon Douglas versuchte in Richtung Falltür zu hechten, doch die dritte Kugel der Turmwache zerschmetterte seinen Schädel mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Sein halber Kopf fehlte, als er neben der Falltür zu Boden ging.
    Über und über mit Blut besudelt, starrte Joe ins Licht. Unter ihm ertönten laute Rufe; er hörte, wie Lawsons Männer die Flucht ergriffen. Er wünschte, er hätte sich ihnen anschließen können. Sein Plan war durch und durch naiv gewesen. Während ihm das gleißende Licht in die Augen stach, spürte er die auf seine Brust gerichteten Gewehrläufe. Die Kugeln, sie waren die primitive, gnadenlose Brut, vor der sein Vater ihn gewarnt hatte; ehe er vor seinen Schöpfer trat, würde er Bekanntschaft mit der Gewalt machen, die er selbst hervorgebracht hatte. Sein einziger Trost bestand darin, dass es schnell gehen würde. In einer Viertelstunde würde er mit seinem Vater und Onkel Eddie das erste Bierchen zischen.
    Dann schwenkte der Scheinwerfer von ihm ab.
    Etwas Weiches traf ihn im Gesicht und fiel auf seine Schulter – ein alter Lappen.
    »Wisch dir mal das Gesicht ab«, sagte Maso. »Du siehst ja schlimm aus.«
    Als Joes Augen sich wieder an das Dunkel gewöhnt hatten, sah er, dass Maso nur ein paar Fuß von ihm entfernt stand und sich erneut eine seiner französischen Zigaretten angesteckt hatte.
    »Hast du geglaubt, ich wollte dich töten?«
    »Kam mir in den Sinn.«
    Maso schüttelte den Kopf. »Ich bin ein einfacher Spaghettifresser aus der Endicott Street. Geh ich mal schick essen, weiß ich immer noch nicht, welche Gabel ich benutzen soll. Aber auch wenn ich keine Kinderstube habe und nicht besonders gebildet bin, würde ich niemals linke Touren fahren. Ich kläre die Sachen direkt. Genau wie du.«
    Joe nickte, während er den Blick über die drei Toten schweifen ließ. »Und was ist mit denen? Ich würde sagen, die haben wir ganz ordentlich aufs Kreuz gelegt.«
    »Drauf geschissen«, sagte Maso. »Sie wollten es nicht anders.« Er trat über Pokaskis Leiche. »Du wirst hier schneller rauskommen, als du glaubst. Hättest du Interesse, an ein bisschen Kohle zu kommen, wenn es so weit ist?«
    »Klar.«
    »Aber an erster Stelle steht immer die Pescatore-Familie. Kannst du dich daran halten?«
    Joe sah dem alten Mann in die Augen. Er war sicher, dass sie eine Menge Kohle machen würden – und dass er dem Alten keinen Meter über den Weg trauen konnte.
    »Kann ich.«
    Maso streckte die Hand aus. »Also, dann.«
    Joe wischte sich die blutverschmierten Finger an der Hose ab und schlug ein. »Okay.«
    »Mr.   Pescatore«, rief jemand von unten.
    »Schon unterwegs.« Maso ging zu der Falltür. »Komm, Joseph.«
    »Sagen Sie Joe. Nur mein Vater hat mich Joseph genannt.«
    »In Ordnung.« Als sie die dunkle Wendeltreppe hinunterstiegen, sagte Maso: »Ist schon merkwürdig mit Vätern und Söhnen. Söhne können ganze Imperien aufbauen, über Königreiche herrschen, Kaiser der Vereinigten Staaten werden, gottgleichen Status erringen, und trotzdem gelingt es ihnen nie, aus dem Schatten ihres Vaters herauszutreten.«
    Joe folgte ihm die Treppe hinunter. »Hatte ich auch gar nicht vor.«

10
    Besuchszeit
    Nach einem morgendlichen Trauergottesdienst in der Gate-of-Heaven-Kirche in Südboston wurde Thomas Coughlin auf dem Cedar-Grove-Friedhof in Dorchester zur letzten Ruhe gebettet. Joe erhielt keine Erlaubnis, an der Beerdigung teilzunehmen, las aber davon in einer Ausgabe des Traveller , die ihm einer der Wärter, die auf Masos Gehaltsliste standen, am Abend jenes Tages zusteckte.
    Zwei ehemalige Bürgermeister, Honey Fitz und Andrew Peters, waren ebenso erschienen wie das aktuelle Stadtoberhaupt, James Michael Curley. Außerdem befanden sich zwei ehemalige Gouverneure, fünf frühere Bezirksstaatsanwälte und zwei Justizminister unter den Trauergästen.
    Die Cops –

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