In der Nacht (German Edition)
Frau kam zurück und versuchte den Hund hinauszuscheuchen, die Kinder fingen an, sich um eine der beiden Puppen zu streiten, und kreischten immer lauter herum, bis Desouza seiner Frau einen genervten Blick zuwarf, worauf sie von dem Köter abließ und den Kindern ein paar saftige Ohrfeigen verpasste.
Sie heulten los wie die Schlosshunde.
»Da habt ihr euch aber was ganz Feines an Land gezogen, Jungs«, sagte Desouza. »Das gibt ’nen ganz großen Knall.«
Das Kleinere der beiden Kinder, ein etwa fünfjähriger Junge, hörte auf zu weinen. Sein durchdringendes Geheul stoppte so abrupt, als hätte jemand ein Streichholz ausgeblasen, und absolute Leere spiegelte sich in seiner Miene. Er nahm einen der Schraubenschlüssel vom Boden und schlug ihn dem Hund an den Kopf. Der Hund knurrte, und einen Moment lang sah es so aus, als wolle er auf den Jungen losgehen, doch dann besann er sich eines Besseren und verzog sich nach draußen.
»Den Köter schlag ich noch mal tot«, sagte Desouza, den Blick weiter auf die Bombe geheftet. »Entweder ihn oder den verdammten Bengel.«
Ihr Bomber, Manny Bustamente, wurde Joe in der Bibliothek des Circulo Cubano vorgestellt. Alle Anwesenden außer ihm rauchten Zigarren, sogar Graciela. Auf den Straßen liefen selbst Neun- und Zehnjährige mit dicken Stumpen zwischen den Lippen herum, und jedes Mal, wenn Joe sich eine seiner mickrigen Murads ansteckte, überkam ihn das dumpfe Gefühl, dass sich die ganze Stadt über ihn totlachte, aber von Zigarren bekam er Kopfschmerzen. Doch als er an jenem Abend in der Bibliothek versuchte, durch den braunen Rauchschleier etwas zu erkennen, schwante ihm, dass er sich wohl oder übel an Kopfschmerzen gewöhnen musste.
In seinem früheren Leben in Havanna war Manny Bustamente Bauingenieur gewesen. Fatalerweise war sein Sohn Mitglied einer Studentenvereinigung an der Universität gewesen, die immer wieder gegen das Machado-Regime protestierte. Machado hatte die Universität geschlossen und die Vereinigung kurzerhand verboten, und eines Tages waren kurz nach Sonnenaufgang mehrere Männer in Armeeuniformen in Mannys Haus eingedrungen. Sie hatten seinen Sohn in der Küche auf die Knie gezwungen und ihm eine Kugel in den Kopf gejagt; als Mannys Frau sie als Bestien bezeichnete, hatten die Kerle sie ebenfalls umgebracht. Manny war ins Gefängnis gekommen. Bei seiner Entlassung hatte man ihm nahegelegt, das Land so schnell wie möglich zu verlassen.
Es war gegen zehn, als ihm Manny diese Geschichte erzählte. Joe nahm an, dass er damit sein Engagement für die Sache unterstreichen wollte. Das zog Joe aber gar nicht in Zweifel; er zweifelte daran, dass Manny schnell genug für ihre Zwecke war. Manny Bustamente war knapp 1,60 Meter groß und gebaut wie ein Bohnentopf. Eine Treppenflucht reichte bereits aus, um ihn außer Atem zu bringen.
Sie sprachen über den Grundriss des Schiffs. Manny hatte sich um die Wartung der Maschinen gekümmert, kurz nachdem es im Hafen eingelaufen war.
Dion fragte, ob die Marine keine eigenen Maschinisten hatte.
»Schon«, sagte Manny. »Aber bei diesen alten Maschinen ziehen sie gern mal einen especialista zu Rate. Das Schiff hat fünfundzwanzig Jahre auf dem Buckel. Früher war es ein…« Er schnippte mit den Fingern und sagte etwas auf Spanisch zu Graciela.
»Ein Kreuzfahrtschiff«, übersetzte sie.
»Ja, genau«, sagte Manny. Abermals kam ein Strom spanischer Silben über seine Lippen. Als er fertig war, erklärte sie ihnen, dass der Luxusdampfer während des Weltkriegs an die Marine verkauft worden und zunächst zum Lazarettschiff umfunktioniert worden war. Erst kürzlich war es als Transportschiff wieder in Betrieb genommen worden, mit einer Besatzung von dreihundert Mann.
»Wo befindet sich der Maschinenraum?«, fragte Joe.
Wieder sprach Manny mit Graciela, und sie übersetzte. Und tatsächlich kamen sie nun um einiges schneller voran.
»Ganz unten, im Heckbereich.«
»Wenn Sie mitten in der Nacht zum Schiff gerufen werden, wer nimmt Sie dann in Empfang?«, fragte Joe.
Manny sah Joe an und öffnete den Mund, wandte sich dann aber doch wieder an Graciela.
»Die Polizei?«, fragte sie stirnrunzelnd.
Er schüttelte den Kopf und erklärte ihr irgendetwas.
»Ah«, sagte sie, » veo, veo, sí .« Sie sah Joe an. »Er meint die Marinepolizei.«
»Die Hafenpatrouille.« Joe warf Dion einen Blick zu. »Kannst du noch folgen?«
Dion grinste. »Folgen? Ich bin dir meilenweit voraus.«
»Sobald die Hafenpatrouille
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