In der Nacht (German Edition)
Sie also passieren lässt, machen Sie sich auf den Weg in den Maschinenraum«, sagte Joe zu Manny. »Wo befinden sich die nächstgelegenen Schlafquartiere?«
»Ein Deck weiter oben, am anderen Ende des Schiffs.«
»Also befinden sich nur zwei Maschinisten in Ihrer Nähe?«
»Ja.«
»Und wie werden Sie die beiden los?«
»Wir wissen aus sicherer Quelle, dass der Leitende Technische Offizier ein Saufbruder ist«, warf Esteban von seinem Fensterplatz ein. »Selbst wenn er im Maschinenraum auftauchen sollte, um nach dem Rechten zu sehen, wird er sich dort nicht lange aufhalten.«
»Und wenn doch?«, fragte Dion.
Esteban zuckte mit den Schultern. »Dann improvisieren wir.«
Joe schüttelte den Kopf. »Das lassen wir schön bleiben.«
Zur Überraschung aller griff Manny in seinen Stiefel und förderte einen einschüssigen Derringer mit Perlmuttgriff zutage. »Wenn er nicht wieder geht, kümmere ich mich um ihn.«
Joe sah Dion an und verdrehte die Augen.
»Her damit«, sagte Dion und schnappte Manny den Derringer aus der Hand.
»Haben Sie schon mal jemanden erschossen?«, fragte Joe.
»Nein.«
»Gut. Dann wollen wir heute Nacht auch nicht damit anfangen.«
Dion warf Joe die Waffe zu, und Joe fing sie auf. »Von mir aus können Sie umlegen, wen Sie wollen«, sagte er zu Manny und überlegte, ob ihm das tatsächlich so egal war. »Aber wenn die Jungs von der Hafenpatrouille Sie filzen und die Wumme bei Ihnen finden, werden sie den Werkzeugkasten besonders genau unter die Lupe nehmen. Heute Nacht besteht Ihr Job vor allem darin, die Sache nicht zu vermasseln. Glauben Sie, dass Sie das hinkriegen?«
»Ja«, sagte Manny. »Ganz bestimmt.«
»Falls Ihnen der Leitende Technische Offizier nicht von der Pelle rückt, reparieren Sie die Maschine und gehen postwendend wieder von Bord.«
»Mit Sicherheit nicht!«, ließ sich Esteban vernehmen.
»Und ob«, gab Joe zurück. »Was wir vorhaben, fällt unter Landesverrat. Ich ziehe die Nummer hier nicht durch, um am Ende geschnappt und in Leavenworth aufgeknüpft zu werden. Falls irgendwas schiefläuft, machen Sie sich im Eiltempo vom Acker, und wir denken uns einen anderen Plan aus. Sehen Sie mich an, Manny – es wird unter keinerlei Umständen improvisiert. Sind wir uns da einig? Comprende? «
Schließlich nickte Manny.
Joe deutete auf die Bombe, die sich in einer Leinentasche zu seinen Füßen befand. »Sobald das Ding gezündet ist, bleiben Ihnen gerade noch ein paar Sekunden.«
»Habe ich verstanden.« Manny blinzelte, als ihm ein Schweißtropfen ins Auge fiel, und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Ich tue alles für unsere Sache.«
Na toll, dachte Joe. Übergewicht und Übereifer – eine fabelhafte Kombination.
»Das freut mich, Manny«, sagte er, während er in Gracielas Blick dieselbe Besorgnis bemerkte, die ihn selbst umtrieb. »Aber all das ist nichts wert, wenn Sie das Schiff nicht wieder lebend verlassen. Und ich sage das nicht, weil ich ein so netter Kerl bin oder mir so wahnsinnig viel an Ihnen liegen würde. Tatsächlich sind Sie mir scheißegal. Aber wenn Sie umkommen und als kubanischer Staatsbürger identifiziert werden, ist unser Plan auf ganzer Linie gescheitert.«
Mannys Zigarre, dick wie ein Hammerstiel, ragte zwischen seinen Fingern hervor, als er sich zu Joe beugte. »Ich will, dass Kuba seine Freiheit wiedererlangt. Ich will, dass die amerikanischen Soldaten mein Land verlassen, und ich will Machado tot sehen. Ich habe wieder geheiratet, Mr. Coughlin. Ich habe drei kleine niños , und Gott möge mir vergeben, aber ich liebe ihre Mutter mehr als meine verstorbene Frau. Ich bin alt genug. Lieber führe ich ein Leben in Ohnmacht, als den Heldentod zu sterben.«
Joe lächelte zufrieden. »Dann sind Sie unser Mann.«
Die USS Mercy wog zehntausend Tonnen. Das Schiff war ein vierhundert Fuß langer, zweiundfünfzig Fuß breiter Verdränger mit Wulstbug, zwei Schornsteinen und zwei Masten. Der Großmast mit seinem Krähennest schien in jene Zeiten zu gehören, als noch Korsaren die Sieben Meere unsicher gemacht hatten. Die zwei verblichenen Kreuze auf den Schornsteinen wiesen die Mercy als ehemaliges Lazarettschiff aus. Sie war offenbar schon mehrmals überholt worden und wirkte etwas heruntergewirtschaftet, auch wenn sich das Weiß ihres Rumpfs schimmernd gegen das schwarze Wasser und den dunklen Himmel abhob.
Joe, Dion, Graciela und Esteban standen oben auf dem Metallsteg eines Getreidesilos am Ende der McKay Street und
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