Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
angegeben hatte.
    »Wie sind die Brüder?« Die Frage kam von Apophis’ Sohn. Ramose überlegte rasch und entschied sich für die Wahrheit.
    »Mein Gebieter Kamose ist ein harter, aber gerechter Mann. Er ist gern allein. Er hasst die Setius für das, was sie nicht seinem Vater angetan haben und seiner Familie haben antun wollen, und er sinnt auf Rache. Er hört nicht auf, ehe er sie nicht bekommt oder bei dem Versuch stirbt. Er ist treu, wenn man ihm treu ist. Sein Bruder ist sanfter. Er ist ein Denker. Er blickt weiter als Kamose.«
    »Dann ist er der Gefährlichere«, warf Pezedchu ein, und Ramose dachte erschrocken, aber ja doch. Vermutlich ist er das. Er steht in Kamoses Schatten. Meistens nimmt man ihn kaum wahr, aber seine Anwesenheit ist immer spürbar.
    Apophis tauchte die Finger in eine Schüssel und wischte sie sorgsam in einer Leinenserviette ab. »Wir müssen Beschlüsse fassen«, sagte er. »Ramose, du wirst wieder in dein Zimmer zurückgebracht. Ich habe jedoch zwei weitere Fragen. Wo ist Fürst Meketra? Und hat Kamose außer in der Oase und in Het nefer Apu noch weitere Truppen zusammengezogen?«
    »Chemmenu und seine Nomarche sind an Meketra zurückgefallen«, sagte Ramose mit einer gewissen Bitterkeit, die er nicht verhehlen konnte. »Kamose hat nirgendwo erwähnenswerte Truppen, außer in Uah-ta-Meh und Het nefer Apu, doch sein Haus wird von seiner Leibwache gut geschützt.« Er stand auf. »Wann darf ich mit Tani sprechen?«
    »Das hängt davon ab, ob und wann wir mit unseren Beratungen fertig sind«, sagte Apophis freundlich. »Man wird dir morgen Nachricht schicken. Der Soldat vor deiner Tür wird dafür sorgen, dass du alles bekommst, was du brauchst. Du bist entlassen.« Mit einem knappen Nicken machte Ramose auf den Fersen kehrt und strebte zur Tür, doch er hörte den jungen Apophis leise sagen: »Vater, du wirst die beiden doch nicht allein zusammenkommen lassen oder? Ihre Person ist jetzt hei…«
    »Gib Ruhe!«, fauchte Apophis. Leise klappte die Tür hinter Ramose zu.
    Neuntes Kapitel
    Der nächste Tag verging Ramose unendlich langsam. Er freute sich, dass er sich hinsichtlich Kamoses Auftrag so gut geschlagen hatte. Er hatte Apophis überzeugen können, dass das Heer kleiner war als in Wirklichkeit, weniger kampfbereit, weniger diszipliniert, und er hatte die gewisse Unzufriedenheit der Fürsten zu einer Meuterei aufgebauscht, die Apophis nur zu gern ausnutzen würde. General Pezedchu war nicht so leicht zu täuschen. Natürlich war es seine Pflicht, vorsichtig zu sein, doch wenn er keine überzeugenden Argumente vorbringen konnte, die seinen Verdacht stützten, dass sich alles ganz anders verhielt als von Ramose beschrieben, würde sich Apophis über seinen Widerstand hinwegsetzen und zum Aufbruch drängen. Und Apophis hatte das letzte Wort.
    Das Schlimmste ist überstanden. Ich habe meine Rolle gespielt, dachte Ramose, während er das Zimmer durchmaß. Wenn Apophis jetzt Wort hält, kann ich mich auf eine Begegnung mit Tani freuen. Danach liegt meine Zukunft im Dunkeln. Natürlich kann mich Apophis nicht freilassen. Wird er mich hinrichten oder auf Dauer im Palast einsperren? Wird es mir gelingen, mit Tani eine Flucht zu planen? Alles hängt davon ab, was wir uns zu sagen haben, ob ihre Liebe zu mir überlebt hat.
    Und warum nicht?, überlegte er besorgt. Weil du das im Garten gesehen hast, beantwortete er seine Frage. Der Wesir hat sich vor ihr verbeugt, als ob sie eine bedeutende Frau wäre, und ihr Gefolge war groß. Aber Apophis hat selbst gesagt, dass sie bei Hofe sehr beliebt ist. Die Verbeugung kann lediglich ein Zeichen freundschaftlicher Achtung sein. Und wie soll ich mir den leisen Protest des jungen Apophis gegenüber seinem Vater erklären? ›Ihre Person ist jetzt hei…‹ Ihre Person ist jetzt was? Heilig? Und falls das so ist, wieso? Warum? Streng gebot Ramose dem Schwall besorgter Vermutungen Einhalt. Ich muss nur warten, sagte er sich, und alles klärt sich auf.
    Er ging zur Tür, machte sie auf und sprach den Wachposten davor an. »Lass mir Bier bringen«, sagte er. »Und falls es im Palastarchiv Rollen mit Geschichten oder über Geschichte gibt, möchte ich die auch haben. Ich langweile mich.« Die Dinge, die er angefordert hatte, wurden umgehend herangeschafft, und er verbrachte den Rest des Tages mit Lesen.
    Wie am Tag zuvor wurde er mit Essen geweckt und dann ins Badehaus gebracht, gewaschen, rasiert und eingeölt. Man gab ihm saubere Kleidung und ließ ihn aufs

Weitere Kostenlose Bücher