In der Oase
machte einen Satz, denn er wusste, er hatte beinahe gewonnen. Im Austausch für seinen guten Ruf, aber trotz allem gewonnen. Hoffentlich sah er angemessen gequält aus. »Er hat nicht alles gesehen«, hielt Apophis dagegen. »Und selbst wenn, so gibt es Dinge, die ich wissen will und die er mir wiederum nicht sagen kann. Wie viele Fürsten beispielsweise hat Kamose unter sich? Verhandelt er mit den Kuschiten oder nicht? Hat er Truppen in Waset zurückgelassen oder nicht?« Er setzte sich jäh hin und legte die Arme auf die Landkarte. »Du darfst einen Blick auf die Prinzessin werfen, wenn du mir eine einzige Information gibst«, sagte er. »Wie lange sind diese Truppen schon in Uah-ta-Meh?« Ramose schluckte laut und betont.
»Majestät, dein Ehrenwort?«
»Ich schwöre bei Sutechs Bart.«
»Ich denke, diese Information kann keinen Schaden anrichten, da sie der Vergangenheit angehört«, sagte Ramose zögernd. »Nun gut. Kamose hat sie nach dem letzten Feldzug in die Oase geschickt. Dann ist er heim nach Waset gefahren.«
»Danke. Kethuna, führe ihn durch den Empfangssaal.«
Die Atmosphäre im Raum hatte sich verändert, das war Ramose klar. Die auf ihn gerichteten Augen blickten verächtlich, aber auch erleichtert. Man tuschelte und zappelte. Apophis’ Sohn griff nach einem der Krüge und schenkte sich Wein ein.
Nur Pezedchu rührte sich nicht. Er saß da, drehte den Silberring an seinem braunen Finger und schätzte ihn kühl-berechnend ab. Er traut meiner kleinen Vorstellung nicht, dachte Ramose, als er sich umdrehte und Kethuna folgte. Er spürt die unterschwellige Unehrlichkeit. Ein scharfer Beobachter.
Kethuna führte ihn in den riesigen Saal und zur Thronestrade und hielt ihn hinter den aufgereihten Soldaten zurück. Zwischen zwei kräftigen Schultern konnte Ramose in einen weitläufigen und gefälligen Garten sehen. Obstbäume regneten weiße und rosige Blüten auf grüne Rasenflächen. Die höheren Sykomoren warfen Schatten, und dort saßen oder lagerten Grüppchen von Angehörigen des Hofes, meistens Frauen, inmitten von bunten Polstern und Brettspielen. Unmittelbar an einem den Rasen kreuzenden Pfad glitzerte ein Teich in der prallen Sonne. »Wir müssen nicht lange warten«, sagte Kethuna. »Nach dem Mittagsmahl macht sie immer einen Spaziergang im Garten, ehe sie sich zur Mittagsruhe begibt. Siehst du! Da ist der Wesir! Er sucht sie.«
Ramose ließ den Blick schweifen. So viele Frauen, dachte er zusammenhanglos, so viele Farben, und dennoch erkenne ich sie, sowie ich sie sehe. Tani! Ich bin da! Auf einmal erspähte er Peremuah mit seinem blauweißen Stab. Er verbeugte sich im Gehen. Zweimal sah Ramose, wie sich ein Arm mit Armband hob und in eine Richtung wies. Dann entschwand der Wesir aus dem Gesichtsfeld. Ramose merkte, dass er seinen Schurz mit beiden Händen umklammerte. Er bekam kaum noch Luft.
Peremuah tauchte wieder auf, und dieses Mal ging er neben einer schlanken Gestalt, die einen bunten Umhang mit Quasten trug. Ihr dunkles Lockenhaar war hoch getürmt, mit gelben Bändern umwunden, und auf ihrer hohen Stirn glitzerte ein goldenes Netz. Um die Knöchel und die Handgelenke trug sie noch mehr Gold, das auffunkelte, als sie gestikulierte. Sie hatte das Gesicht abgewandt, aber es war Tani, Tani mit ihrem munteren Schritt, Tani mit ihrem schräg gelegten Kopf, Tani mit den behänden, gespreizten Fingern, an die er sich noch so gut erinnerte.
Peremuah berührte ihren Ellbogen und brachte sie unmittelbar vor dem offenen Empfangssaal zum Stehen. Er trat zur Seite und zwang sie zu einer Drehung, während sie mit ihm plauderte, und endlich konnte Ramose das Gesicht sehen, dessen Züge sich in sein Herz gebrannt hatten. Sie war vollendet geschminkt, der großzügige, lachende Mund hennarot, die Lider grün und funkelnd von Goldstaub, das schwarze Kohl betonte noch ihre großen, schönen Augen. Mit ihren fast achtzehn Lenzen war sie nicht mehr das sehnige Kind mit den knospenden Formen. Sie war gereift, hatte rundere Hüften und Brüste, und das vermittelte ihr etwas von der Würde und Majestät ihrer Mutter, doch mit ihren raschen Bewegungen und dem sprudelnden Lachen war sie noch immer das junge Mädchen, das neben ihm gesessen und ihren Arm durch seinen geschoben hatte, ihm im hellen Sonnenschein zugeblinzelt und die Lippen über kräftigen, jungen Zähnen einladend geöffnet hatte.
Warum lachst du, Tani?, rief Ramose lautlos. Ich liebe dich, liebe dich noch immer, werde dich immer lieben,
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