In der Oase
Er öffnete sein Bündel, holte etwas Brot heraus und seinen Wasserschlauch. Er war mehr als nur halb leer. Er schüttelte ihn und fragte sich, sollte er trinken oder nicht, dann schalt er sich einen Narren. Die Quellen und Brunnen der Oase warteten auf Kethunas durstige Truppen, darunter auch auf ihn. Dennoch hielt er inne, als er den Schlauch schon angesetzt hatte. Mit halbem Auge sah er die anderen Männer tüchtig trinken, ja, sie gossen sich die kostbare Flüssigkeit sogar über die erhitzten Gesichter.
Ramose ließ den Wasserschlauch sinken. Wie viel Wasser mag noch für die Pferde auf den Eselkarren sein?, überlegte er. Pferde verabscheuen die Wüste. In trockenen Gegenden sind sie nicht sehr ausdauernd. Ringsum verschwenden Männer Wasser in dem Glauben, dass es einen Steinwurf entfernt mehr gibt. Hor-Aha würde das nie glauben, aber Hor-Aha ist auch ein Kind der Wüste, und auch Kamose ist am Rand einer erbarmungslosen Ödnis aufgewachsen, anders als diese wund gelaufenen Söhne des Deltas mit ihrem Sonnenbrand.
Wund.
Sonnenbrand.
Und bald wieder durstig.
Ramose saß sehr still da. Aber geht das überhaupt?, fragte er sich, während der ungeformte Gedanke, dem er nachjagte, Gestalt annahm und sich als Angst herausstellte. Konnte man das schaffen? Und das so gut, dass ein ganzes Heer vernichtet würde? Kein Wunder, dass du alles mitgenommen hast, selbst die Tiere, mein skrupelloser Freund. Nie, auch nicht in seinen kühnsten Träumen, würde Kethuna darauf kommen. Pezedchu vielleicht, aber selbst wenn Pezedchu statt Kethuna hier wäre, selbst wenn er der Wahrheit nahe käme, er säße auch in der Falle.
Aber stimmte das, oder war er nicht ganz bei Trost? Ramoses Blick wanderte zu der sonnengebadeten Straße, den Dünen mit den Felsbuckeln, den halb verborgenen Bäumen. Seine Kehle war ausgedörrt und er hätte so gern getrunken, doch er wagte es nicht.
Es dauerte nicht lange und Kethuna kam zurück. Er hatte sich offensichtlich zu einem Entschluss durchgerungen. Befehle wurden gebrüllt, und die Soldaten kamen hoch. Die Standarten schwankten. Kethuna bestieg seinen Streitwagen. Also ging es vorwärts. Ramose prüfte im Stehen den Stöpsel seines Wasserschlauchs, und dann legte Apophis’ Heer die letzten Meilen zwischen sich und der Oase zurück.
Gerade bevor sie durch die Sanddünen zogen, stürmte Kethunas Vorhut vor und verteilte sich, die Streitwagen rollten schnell dahin, ihre Wagenlenker hatten die Bogen vom Rücken genommen und mit Pfeilen schussbereit gemacht. Ramose warf einen Blick zurück und sah, dass sich die lockeren Reihen zusammengezogen hatten, die Nachhut verlor sich im Staub. Er streckte die Hand aus und streichelte das Tier neben sich, seine Flanke fasste sich warm und feucht an. Auf einmal spürte er den Hieb des Wagenlenkers auf seinem Handgelenk und zog die Hand zurück.
Jetzt kam das nördliche Dorf in Sicht, eine Ansammlung von Hütten hinter dem grellen Grün des kräftigen Korns, die kleinen Behausungen beinahe von Palmenstämmen und magerem Gebüsch verdeckt. Unweit war auch der Teich, an dem Kamoses Zelt gestanden hatte, der Boden ringsum war aufgewühlt und mit den Abfällen der abziehenden Männer übersät. Kethunas Pferde, die Wasser witterten, beschleunigten so, dass Ramose jetzt laufen musste. Der Wagenlenker versuchte, sie zu halten, doch ohne viel Erfolg, und Kethuna, der sich an die schwankende Seite des Gefährts klammerte, brüllte ihn zornig an.
Der Teich kam näher, fast waren sie angelangt, und Ramose rätselte noch immer. Das Gebüsch rings um das Wasser war abgehackt. Über dem Sand standen nur noch abgesägte Stümpfe. An vielen Stellen waren die Pflanzen geradezu mit der Wurzel ausgerissen und hatten Mulden zurückgelassen.
Die Pferde kamen zum Rand des Teiches und blieben stehen. Sie senkten den Kopf. Hinter dem Streitwagen gaben die Soldaten die Marschordnung auf und bückten sich mit dem Wasserschlauch in der Hand, die Hände zum Schöpfen bereit. Schwer atmend musterte Ramose die schaumige Wasseroberfläche. Zweige und weiße Blütenblätter schwammen sacht darauf, dazu Äste, die man zerquetscht hatte. Jemand hat die Büsche herausgerissen, sie zerhackt und dann methodisch in den Teich geworfen, dachte Ramose. Aber warum? Es wirkt kleinlich und rachsüchtig, aber zu welchem Zweck? Die Mäuler der Pferde zögerten unmittelbar über dem trüben Wasser, sie blähten die Nüstern und wieherten leise. Soldaten lagen auf den Knien, wollten das
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