In der Oase
mageren Schatten zusammen, grub sich eine Mulde zwischen Sand und Steinen, zog sich den zerfetzten Umhang über den Kopf und fiel in einen unruhigen Schlummer.
Stimmen in seiner Nähe weckten ihn auf, und als er einen Zipfel seines Umhangs hob, lag die Wüste in rotem Licht. Die Sonne wollte untergehen. Der Boden übertrug die schweren Tritte der Soldaten, die ihn suchten, und er lag sehr still und bemühte sich, flach zu atmen, bis sie fortgingen. Dann kroch er aus seinem Loch und stand behutsam auf. Oben von einer Düne sah er im Dorf brodelndes Leben und Treiben, doch jetzt forsch und zielstrebig. Offensichtlich hatte Kethuna alles wieder im Griff. Soldaten gingen in die Hütten der Dorfbewohner hinein und wieder hinaus und am Wasser hin und her, doch nachdem Ramose ihnen ein Weilchen zugesehen hatte, fiel ihm die eigenartige Stille auf. Niemand lachte oder redete. Man hatte keine Kochfeuer angezündet. Die armen Kerle, dachte er. Ist ihnen klar, dass sie bereits tot sind? Er ließ sich die Düne hinabgleiten, entstöpselte seinen Wasserschlauch und gestattete sich einen Mund voll Wasser, dann machte er es sich bequem und wartete.
Zwielicht setzte ein, dann war es vollends dunkel. Die Sterne erwachten einer nach dem anderen, bis das Sternenzelt endlich in voller Pracht funkelte. Es war Neumond, eine verschwommene Sichel unter strahlenden Sternbildern. Ramose lag mit angezogenen Knien und ausgestreckten Armen und ließ sich von der himmlischen Kühle einer Wüstennacht liebkosen.
Kethuna hatte den einzigen Weg eingeschlagen, der ihm offen stand. Er verließ die Oase, solange die Sonne nicht schien. Er würde sein Heer ein Stück nach Süden führen, bis er auf den Weg nach Het nefer Apu kam, und von dort würde er in Richtung Osten ziehen. Und ich folge dir, sagte sich Ramose. Ich habe nicht die Absicht, vor dir herzutrotten, vielleicht gefangen und dann enthauptet zu werden. Ich allein habe Aussicht zu überleben.
Er musste sich sehr beherrschen, dass er nicht aufsprang und ihnen auf der Stelle folgte, doch sie würden langsamer vorankommen als ein Einzelner, und er wollte sie nicht einholen. Er fürchtete sich davor, das letzte Lebewesen an diesem verfluchten Ort zu sein, fürchtete sich vor der Tageshitze, wenn er mit der Versuchung kämpfen würde, seinen mageren Wasservorrat zu trinken, fürchtete sich vor allen Geistern und Gespenstern, die jetzt frei und unsichtbar in der Oase herumgeistern mochten, doch er betete zu Thot, verließ seine Mulde und ging ins Dorf hinunter.
Hier herrschte tiefe Stille. Kein Hund jaulte, kein angebundener Ochse raschelte, kein Kind schrie im Schlaf. Türen gähnten wie schwarze Mäuler, und die festgestampfte Erde davor lag nackt und bloß im Sternenschein. Ramose hatte beschlossen, den Rest der Nacht in einem der Häuser zu verbringen, doch angesichts ihrer niederdrückenden Aura von Verlassenheit änderte er seine Meinung. Rasch ging er in eins hinein, zerrte eine Binsenmatte und eine Decke heraus und verbrachte die verbleibenden Stunden bis zum Morgengrauen unter einem Baum.
Als ihn die ersten Sonnenstrahlen trafen, die schon den Feuerofen schürten, zog er sich in eine Hütte zurück, die ihm am helllichten Tag mit Obdach und Kühle winkte. Er aß ein wenig von seinem Brot und gestattete sich einen weiteren Mund voll Wasser. Er wusste, dass er sich nicht durch Herumlaufen erschöpfen durfte. Also ergab er sich in die Langeweile und bekämpfte sie mit Bildern von Kamose, von Tani, von den Wundern des Palastes in Auaris. Er stellte sich die warme Feuchtigkeit des Badehauses vor, einen Spaziergang in einem Garten voll Blumen, wie er an der Reling von Kamoses Schiff lehnte, umgeben von dem fröhlichen Lärm des Heeres.
Nur einmal zuckte er zusammen und sein Herz fing an zu rasen, als er jemanden auf das Haus zugehen hörte. Er kroch zur Tür und spähte hinaus, doch sein Besucher war lediglich eine Ziege, die meckerte, als sie ihn sah, und forttrottete. Oleandergift konnte Ziegen nichts anhaben, fiel Ramose ein, und dann musste er über seine Angst lachen. Ziegen fraßen und verdauten alles, ohne Schaden zu nehmen. Er überlegte, wie es Kethunas Heer ergehen mochte, und bei dem Gedanken wurde er wieder ernst und kehrte in seinen Winkel zurück.
Er schlief vor Langeweile, nicht vor Müdigkeit, während der Tag dahinkroch, und gegen Sonnenuntergang trat er ins Freie, aß Brot und trank einen Schluck Wasser, dann schulterte er sein Bündel, hängte sich seinen
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