In der Oase
noch heil sind, können wir sie gut gebrauchen.« Hor-Aha nickte und sprang ab und gleich darauf sah Kamose, dass sich Hauptleute unter den Toten verteilten. Äxte hoben und senkten sich und hackten den Gefallenen die rechte Hand für die Zählung ab.
Kamose stieß die Luft aus. »Anchmahor, das ist geschafft«, meinte er in bemüht leichtem Ton, eine Leichtigkeit, die er nicht verspürte. Ja, er verspürte lediglich eine Art Benommenheit, so als hätte er zu viel Mohnsaft getrunken. »Hol die Getreuen, wir wollen Ahmose suchen. Es hat keinen Zweck, die Männer hier neu zu formieren und meinem Bruder als Verstärkung zu bringen, es sei denn, ihm und Paheri ergeht es schlecht. Ich mache mir Sorgen, weil ich nichts von unserer zweiten Front gehört habe.« Er dachte, der Fürst würde etwas sagen. Anchmahors mit Kohl umrandete Augen blickten groß und besorgt. »Das hier ist eine Revolution, die sich nicht um Gesetze schert«, sagte Kamose, »und so wird es weitergehen. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass ich nicht gut wegkomme, wenn Ägyptens Geschichte geschrieben wird. Aber gewiss wird es auch andere Leser geben.« Er deutete mit dem Finger auf das Blutbad unmittelbar hinter ihnen. »Diese Setius waren Soldaten. Soldaten begreifen, dass sie fürs Kämpfen, aber auch fürs Sterben bezahlt werden. Niemand sagt ihnen, wie sie sterben. Ich verbeuge mich vor der Tapferkeit dieser Männer, die die Wüste durchquert haben, bei jedem Schritt gestorben sind und sich dann von anderen Soldaten abschlachten lassen mussten. Sie haben ihre Pflicht getan.« Auf einmal war er sehr müde. »Ich liebe dich, Anchmahor«, sagte er dumpf. »Ich liebe dich für deine Ergebenheit zur Maat, für deine Klugheit, für deine stetige, stille Unterstützung. Bitte, entzieh mir das nicht. Ich brauche nicht nur deinen pflichtschuldigen Gehorsam, sondern auch dein Herz.«
Ein flüchtiges Lächeln umspielte Anchmahors Mund, er nickte einmal und stieg aus dem Streitwagen. Nach einer tiefen Verneigung ging er zu seinem eigenen wartenden Wagenlenker. »Los«, sagte Kamose zu seinem Wagenlenker. Mit einem Ruck zogen die Pferde den Streitwagen aus dem Sand, und mit Anchmahor und den Getreuen des Königs hinter sich, brach er nach Het nefer Apu auf.
Er war gerade in den Schatten einiger Bäume gerollt, als er den Streitwagen seines Bruders auf sich zukommen sah. Er hatte kaum angehalten, als Ahmose schon zu rufen anfing. »Pezedchu ist mit seiner Streitmacht zurückgewichen! Er zieht ab, Kamose! Die Späher haben mir gesagt, dass du ein Blutbad angerichtet hast. Formiere deine Divisionen neu, und dann setzen wir ihm nach! Achtzigtausend Mann gegen seine sechzigtausend! Da sieh!« Er zeigte aufgeregt in Richtung Norden, wo Staubwolken wirbelten. Kamose überlegte rasch.
»Hast du mit ihm gekämpft?«, fuhr er ihn an.
»Ein paar Scharmützel, mehr nicht. Kay Abana hat seine Männer vom Schiff geholt und Pezedchus östlicher Flanke beim Rückzug zugesetzt. Es hat Blutvergießen gegeben, aber ich habe noch keine Einzelheiten. Pezedchu wollte nicht kämpfen, Kamose. Er hat gewusst, in welchem Zustand die Männer aus der Wüste kommen. Er hat es sich anders überlegt und sich zur Flucht entschlossen. Beeil dich!« Die Streitwagen fuhren jetzt nebeneinander. Kamose schüttelte den Kopf.
»Nein, Ahmose. Lass ihn ziehen. Es wäre nicht achtzigtausend gegen sechzigtausend. Vier unserer Divisionen sind noch da draußen, müde und dreckig, mit stumpfen Schwertern und ohne Pfeile. Sie brauchen Ruhe und Nachschub, ehe sie weitere Setius jagen können. Bleiben vierzigtausend Mann. Von denen gehören fünfundzwanzigtausend auf die Schiffe. Die müssten wir vom Fluss abziehen. Pezedchu dürfte schnell laufen. Lass Späher hinter ihm herschicken, aber wir müssen ihn, glaube ich, wohlbehalten nach Auaris zurückkehren lassen.«
»Der Feigling!«, platzte Ahmose heraus. »Er hat seinen Waffengefährten nicht einen Mann zu Hilfe geschickt. Keinen einzigen, Kamose!«
»Natürlich nicht«, antwortete Kamose ruhig. »Er hat gewusst, dass sie zum Sterben verurteilt waren, und hat keine guten Männer geschickt, dass die auch noch sterben. Er wird seinem Gebieter einen beunruhigenden Bericht abliefern müssen, Ahmose. Dreh um, wir treffen uns im Zelt.«
Als sie sich dem Nil näherten, begrüßte sie Jubelgeschrei. Stadtbewohner wie Soldaten, die mit Ahmose gewartet hatten, jauchzten ihnen zu. Paheri und die beiden Abanas standen vor dem Zelt der Brüder. Nur der jüngere
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