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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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hinter den Gärten herumzugehen, hinter den Dienstbotenunterkünften und den Speichern, wo die Getreuen des Königs untergebracht waren. Hier wohnte die Leibwache des Königs in bequemen Unterkünften, die auf einen eigenen kleinen Teich und Rasen gingen, und ihr Befehlshaber, Fürst Anchmahor, bewohnte drei abgesonderte große Räume. Tetischeri betrat sie geradewegs und erschreckte den Schreiber, der auf einer Matte auf dem Fußboden saß und Rollen um sich aufgehäuft hatte. Er legte seine Palette beiseite, kam hoch und verbeugte sich hastig. »Majestät«, stammelte er. »Welche Ehre. Der Fürst ist nicht da.«
    »Das sehe ich«, fuhr Tetischeri ihn an. »Dann geh und hol ihn. Ich warte hier.« Sie suchte sich einen Stuhl und nahm gegenüber der offenen Tür Platz, lauschte dem hellen Vogelgesang in den Bäumen draußen, bis das Licht ausgesperrt wurde und Anchmahor eintrat. Er schüttelte sich den Staub von den Sandalen, dann verneigte er sich ehrerbietig vor ihr, und als sie ihm in die Augen blickte, wurde ihr leichter ums Herz. »Es tut gut, dich zu sehen, Anchmahor«, sagte sie. »Ich habe mich gefreut, als ich gehört habe, dass mein Großsohn dich zum Befehlshaber der Getreuen ernannt hat. Ich habe deine Mutter gekannt. Eine bewundernswerte Frau.« Er lächelte, stand locker vor ihr, und die Seiten seines blauweißen Kopftuches rahmten Züge ein, die jene gelassene Sachlichkeit ausstrahlten, auf die sich Kamose verließ.
    »Du bist zu gnädig, Majestät«, erwiderte er. »Was kann ich für dich tun?« Er entschuldigte sich nicht für seine Abwesenheit bei ihrem Kommen, und das gefiel ihr, denn jeder Hauch von Unterwürfigkeit reizte sie.
    »Du sollst mir sagen, wie dir Kamose vorkommt«, begann sie. »Ich will ehrlich mit dir sein, Fürst. Ich mache mir seinetwegen Sorgen. Seit seiner Heimkehr ist er verschlossen, und wenn er redet, dann bitter und bisweilen sogar wirr.« Sie verstummte, fuhr jedoch fort und unterdrückte dabei Gewissensbisse, weil sie Kamose in den Rücken fiel. »Ich liebe meinen Großsohn, und sein Gesundheitszustand geht mir über alles, aber hier steht mehr auf dem Spiel als Kamoses geistige Verfassung. Kann er ein Heer befehligen?« Damit war die Frage heraus und hing wie ein Urteilsspruch in der Luft. Tetischeri kam sich kleiner vor, so als hätte sie mit dieser Äußerung etwas von ihrer Allmacht verloren, und auf einmal war sie sehr durstig. Anchmahor blickte erstaunt und setzte sich unaufgefordert auf die Schreibtischkante.
    »Ich hätte, glaube ich, nein gesagt, wenn sich das Glück unseres Landes nicht gewendet hätte«, antwortete er aufrichtig. »Seine Majestät ist mit einer Rücksichtslosigkeit und Brutalität nach Norden gezogen, die viele entsetzt hat. Ägypten ist beinahe Ödland geworden, aber es war eine Reinigung, die aus Notwendigkeit, nicht aus Grausamkeit geplant und durchgeführt wurde. Solch eine Tat bei einem König, der ein freies und gefestigtes Ägypten regiert und, sagen wir, lediglich vom Einfall eines Wüstenstamms bedroht war, würde der helle Wahnsinn sein. Es gereicht deinem Enkel zur großen Ehre, dass er unter den grausamen Taten, die er begehen musste, persönlich gelitten hat. Er hat jedes Schwert gespürt, das in ägyptisches Fleisch gestoßen wurde. Dieser Schmerz hat seinen Hass auf die Setius noch verstärkt, weil sie ihn dazu gezwungen haben und weil es ihn so tief geschmerzt hat.« Er blickte sie nachdenklich an. »Außerdem will er unbedingt den Tod seines Vaters und den Selbstmord seines Bruders rächen. Er ist in genau dem Feuer geläutert worden, das er angezündet hat, Majestät. Möglicherweise verzehrt es ihn am Ende, aber nicht ehe er nicht seine Aufgabe erfüllt hat. Ich bin ihm vollkommen treu ergeben.«
    »Wie sehen das die anderen Fürsten?« Anchmahor lächelte bedächtig.
    »Zunächst hatten sie große Angst, ob er Erfolg hat«, berichtete er. »Sie hatten zwar einen Eid geschworen, aber sie wollten sich gern eine Menge Blutvergießen und Unannehmlichkeiten ersparen. Später verspürten sie Ehrfurcht vor dem, was er geschafft hatte, und vor seiner Härte.« Ehrfurcht, wiederholte Tetischeri bei sich. Ehrfurcht. Ja.
    »Und jetzt«, bohrte sie weiter. »Was ist mit Hor-Aha?« Sein Blick wurde nachdenklich.
    »Du bist eine Königin von überraschendem Einfühlungsvermögen«, sagte er leise. »Von dem Stolz und der Unnachgiebigkeit der Tao-Frauen hatte ich gehört, aber nicht von ihrem männlichen Verstand. Das sollte nicht

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