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In der Oase

In der Oase

Titel: In der Oase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Tetischeri unbußfertig. Er lachte, und wie selten nach seiner Heimkehr war seine Miene fröhlich und gelöst, aber sofort blickten seine Augen wieder sonderbar, halb traurig, halb sehnsüchtig.
    »Keine, die mir je begegnet wäre«, antwortete er schlicht. »Nicht alle Männer, die allein schlafen, Großmutter, sind Fanatiker oder nicht normal. Möglicherweise habe ich etwas von Ersterem, aber ganz eindeutig nichts von Letzterem. Bitte, lass es sein, du kannst mich nicht lenken.« Er gab ihr noch einen Kuss, ging plötzlich und ließ sie gereizt und ratlos zurück.
    In den folgenden Wochen beobachteten sie und die beunruhigte Aahotep ihn genau. Er hatte alle Bauern zusammenholen lassen, die nicht eingezogen worden waren, und die mussten jetzt sein Gefängnis draußen in der Wüste bauen, und oft sah man ihn, wie er dicht neben der Staubwolke stand, die von Scharen schuftender Männer aufgewirbelt wurde, nur begleitet von seinem Hund Behek und seiner Leibwache.
    Im Tempel indes wirkte er weicher, weniger hart, sein geschmeidiges, junges Rückgrat tat sich leicht bei der Huldigung des Gottes, und seine Knie beugten sich, während er seinen Fußfall vor der großen Flügeltür machte. Der Priester, der das Hochwasser des Nils maß, berechnete den gesamten Wasserstand in diesem Jahr auf vierzehn Ellen – Isis weinte prächtig –, und die sieben Tage des Hapi-Festes für den Nilgott mitten im Monat Paophi wurden ungestüm gefeiert. Kamose blieb eine ganze Woche im Tempel, schlief in einer Priesterzelle und beteiligte sich mit den anderen Priestern an jedem Ritual Amunmoses. Es ist, als böte ihm die räumliche Nähe des Gottes einen Frieden, den er außerhalb des heiligen Bezirks nicht finden kann, dachte Tetischeri laut in Aahoteps Beisein. Irgendwie geben seine Dämonen in der Gegenwart des Gottes Ruhe. Er wirkt nicht mehr so gehetzt wie früher. Er hat wieder Fleisch auf den Knochen und seine Augen blicken klar. Er redet so liebevoll mit mir wie einst, aber dennoch gibt es jetzt etwas in ihm, was jedermann völlig unzugänglich ist, mir auch. Und es gefällt mir gar nicht, wie er bisweilen dasitzt und fröstelt und sich beklagt, dass er friert. Äußerlich ist er nicht krank. Es ist alles innerlich, in seiner Seele, diese eisige Dunkelheit.
    Von den Truppen, die im Norden überwinterten, kam Kunde. Bisweilen war sie von Ramose, aber öfter war es Hor-Aha, der den Papyrus voll schreiben ließ und über den augenblicklichen Zustand des Heeres berichtete. Er fügte immer ehrerbietige Grüße an Tetischeri an, sodass die sich allmählich fragte, ob seine Worte nicht nach speichelleckerischer Unaufrichtigkeit schmeckten. Schließlich war er weiter nichts als ein Wilder mit einer genialen Begabung für militärische Taktik, und die Tage von Seqenenres verzweifeltem Feldzug waren längst vorbei. Stieg Hor-Aha seine Stellung zu Kopf? Kamose hätte ihn nicht zum Erbfürsten machen dürfen, fand Tetischeri. Es wäre besser gewesen, er hätte ihn General bleiben lassen und ihm einen der anderen Fürsten vorgesetzt, wenn auch nur ehrenhalber.
    Der Monat Athyr begann, und der war für Tetischeri immer langweilig, auch wenn die Hitze nachließ. Ägypten war zum riesigen See geworden, getüpfelt von den Kronen halb ertrunkener Palmen. Die Äcker lagen unter silbrigem Wasser. Das einzige Bauvorhaben war Kamoses Gefängnis, ein hässliches Gemäuer, an dem die Bauern schufteten, wenn sie nicht vor ihren Hütten saßen und ihre überschwemmten Aruren betrachteten und die Saatmenge berechneten, die sie aussäen würden, sowie das Hochwasser zurückging. Aahotep überwachte die jährliche Auflistung aller Haushaltsgüter. Sogar im Tempel herrschte Ruhe. Es gab nur wenige Feste, die die nicht enden wollenden Stunden unterbrochen hätten.
    Ahmose jedoch war glücklich. Jeden Morgen nahm er sein Boot, seinen Wurfstock und sein Angelzeug und verschwand in Begleitung seiner Leibwache im Sumpf, kehrte am Spätnachmittag verdreckt und erhitzt zurück und warf seine tote Beute den Dienern zu, die darauf warteten, dass sie die Enten und die Fische zum Abendessen zubereiten konnten.
    Am Abend des letzten Tages im Monat Athyr, als die Familie zusammen gespeist und sich Tetischeri in ihre Gemächer zurückgezogen hatte, meldete man zu ihrer Überraschung Ahmose, der um Einlass bat. Isis hatte ihr gerade die Schminke vom Gesicht und das Henna von Händen und Füßen gewaschen und kämmte ihr das Haar. Tetischeris erster Gedanke war, ich schicke ihn

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