In der Oase
fort, er soll morgen früh kommen, wenn ich richtig geschminkt bin, doch diesen eitlen Gedanken schob sie beiseite und sagte Uni, er solle ihn einlassen.
»Vergib mir, Großmutter, ich weiß, dass es spät ist«, sagte er, als er über den gefliesten Boden kam, stehen blieb und sich höflich verneigte. »Ich wollte ein Weilchen ungestört mit dir sein. Ich bin selbstsüchtig mit meinen Tagen umgegangen und habe versucht, in ein paar Monaten die Jagdfreuden eines ganzen Jahres nachzuholen. Mutter hat mich deswegen schon gescholten.« Er lächelte zerknirscht. »Sogar Aahmes-nofretari hat mich ermahnt, dass ich meiner Familie nicht die Aufmerksamkeit schenke, die sie verdient.«
»Deine Abwesenheit hat mich nicht im mindesten gekränkt, Ahmose«, erwiderte Tetischeri. »Wir sehen uns doch jeden Abend beim Essen. Deine Freizeit gehört dir, die kannst du verbringen, wie es dir beliebt, und solange du deiner Frau gegenüber deine Pflicht tust, will ich mich nicht beklagen. Deine Pflicht mir gegenüber ist dir jedoch zu einem sonderbaren Zeitpunkt eingefallen.« Sie winkte Isis fort und zeigte auf den Stuhl neben ihrem Lager. »Du darfst dich setzen.«
»Danke.« Er zog den Stuhl näher an ihren Schemel vor dem Kosmetiktisch heran und ließ sich zufrieden seufzend darauf nieder. »Ehrlich gesagt, ich bin es leid, arglose Tiere zu erlegen. Aahmes-nofretari sagt, dass ich erwachsen werde. Sie neckt mich.«
Tetischeri musterte ihn nachdenklich im stetigen gelben Schein ihrer Lampen. Er war breitschultrig und untersetzt, seine Haut schimmerte gesund, und er strahlte viel männliche Kraft aus. Sein braunes Lockenhaar war kurz gehalten und mit einem roten Band locker zusammengebunden, aber ein paar Locken waren ihm entwischt, hingen auf seinen stämmigen Hals und umrahmten ein ehrliches, erwartungsvolles Gesicht. Doch seine Augen lächelten nicht. Sein ernster Blick kreuzte sich mit ihrem. Sie wandte sich an Isis. »Leg den Kamm fort. Du kannst gehen«, sagte sie. »Ich gehe allein zu Bett.« Nachdem die Frau leise die Tür hinter sich geschlossen hatte, verschränkte Tetischeri die Arme. »Mich führst du nicht hinters Licht, Prinz«, meinte sie. »Was willst du?«
»Es geht nicht darum, was ich will«, sagte er sanft. »In Wirklichkeit möchte ich dich gar nicht befragen. Ich weiß, dass dein Herz Kamose gehört und dass du dich auf ein Ägypten freust, das sein Odem belebt. Streite das nicht ab, Tetischeri. Es kränkt mich nicht, aber ich merke natürlich, dass wir uns immer fremder werden.«
»Ich streite es auch nicht ab«, warf sie ein. »Aber falls du auch nur einen Augenblick denkst, dass ich meine Liebe zu deinem Bruder über Ägyptens Wohl stelle, dann irrst du. Damit würde ich das Andenken deines Vaters entehren und mich klein machen.«
»Kann sein. Ich hatte gehofft, du würdest mich rufen und wir könnten den Feldzug des vergangenen Jahres durchsprechen, oder du würdest mir wenigstens berichten, was sich hier zugetragen hat, aber nein, du gehst mit deinen Sorgen lieber zu Anchmahor und fragst die arme Nofre-Sachuru aus, als du gemerkt hast, dass Kamose nicht mit dir reden will. Ich bin doch nicht blind. Hast du Angst vor mir, Großmutter, oder bin ich lediglich ein hirnloses Nichts, das man links liegen lässt?« Sein Ton hatte sich nicht verändert. Er war maßvoll geblieben. Seine Hände lagen locker auf den Armlehnen, und seinem Leib war keine Anspannung anzumerken, dennoch unterstrich gerade diese Selbstbeherrschung seine anklagenden Worte. Tetischeri kämpfte mit aufwallendem Ärger. Er hat Recht, dachte sie bitter. Ich hätte ihn nicht übergehen, hätte auf die Stimme der Vernunft hören sollen.
»Ich hätte dich noch ausgefragt, Ahmose«, sagte sie bedächtig, »aber Kamose sollte nicht denken, ich wäre ihm untreu geworden. Das mag dir wie eine lahme Ausrede vorkommen, doch Kamose ist der König. Er trifft die Entscheidungen, die den Fortgang des Krieges beeinflussen. Ich konnte es mir nicht leisten, meinen Zugang zu ihm zu verlieren.«
»Und bist mit deinen Sorgen zu Anchmahor gegangen.« Er stellte die Füße nebeneinander, lehnte sich zurück und faltete die Hände. »Warum hast du das getan? Weil er älter ist als ich, reifer, weil er die Jagd verabscheut, oder warum? Und nein, ehe du protestierst, er ist damit nicht zu mir gekommen. Mir ist nur aufgefallen, dass Kamoses Leibwache verdoppelt worden ist, und als ich Anchmahor gefragt habe, warum, da hat er gesagt, dass du darum gebeten hast.
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