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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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sollte sie dann ihre eigene Waffe vernichten?«
    »Das dürfen Sie mich nicht fragen.«
    Er dachte eine Weile darüber nach, versuchte, dem Ganzen einen Sinn abzugewinnen, doch er gelangte zu keiner brauchbaren Antwort.
    »Erzählen Sie mir mehr von ihrem Experiment«, sagte er. »Was genau
ist
ein Archäon?«
    »Ich habe mit Petrovitch die Fachliteratur gewälzt. Die
Archaea
sind eine absonderliche Art von einzelligen Organismen, die auch als ›Extremophile‹ bekannt sind; das heißt, sie lieben extreme Umweltbedingungen. Sie wurden erst vor zwanzig Jahren entdeckt. Diese Organismen leben – und gedeihen – in der Nähe kochend heißer Vulkanspalten am Meeresboden, und man hat sie auch im ewigen Eis der Polkappen und in Felsformationen tief unter der Erdkruste gefunden. An Orten, von denen wir geglaubt hatten, dort sei kein Leben möglich.«
    »Sie sind also eine Art äußerst widerstandsfähiger Bakterien?«
    »Nein, sie bilden einen völlig eigenständigen Zweig des Lebens. Ihr Name bedeutet wörtlich ›uralt‹. Sie sind so alt, dass ihre Ursprünge bis zu den Urformen des Lebens überhaupt zurückreichen. Noch vor der Entstehung der ersten Bakterien. Archäen gehörten zu den ersten Bewohnern unseres Planeten, und sie werden vermutlich die letzten Überlebenden sein. Ganz gleich, was geschieht – sei es ein Atomkrieg oder ein Asteroideneinschlag –, sie werden noch hier sein, wenn wir längst aufgehört haben zu existieren.« Sie machte eine Pause. »In gewisser Weise sind sie die eigentlichen Eroberer der Erde.«
    »Sind sie infektiös?«
    »Nein. Für den Menschen sind sie harmlos.«
    »Dann sind sie nicht unser Killerorganismus.«
    »Und wenn nun etwas
anderes
in der Kultur war? Wenn sie einen anderen Organismus hineingeschmuggelt hat, kurz bevor sie uns die Nutzlast geliefert hat? Ich finde es interessant, dass Helen Koenig gerade in dem Moment verschwunden ist, als die Krise sich zugespitzt hat.«
    Jack schwieg einen Moment und versuchte zu überlegen, weshalb Helen Koenig so unvermittelt die Einäscherung ihres eigenen Experiments angeordnet hatte. Er erinnerte sich daran, was Gordon Obie bei ihrem Treffen gesagt hatte. Vielleicht war dies gar kein Sabotageakt, sondern etwas anderes, etwas ebenso Beängstigendes – nämlich ein Irrtum.
    »Da ist noch mehr«, sagte Liz. »An diesem Experiment ist etwas, was bei mir die Alarmglocken schrillen lässt.«
    »Was meinen Sie?«
    »Die Finanzierung. Der Platz in der Raumstation ist begrenzt, weshalb die Experimente von außerhalb der NASA in ständiger Konkurrenz zueinander stehen. Die Forscher müssen einen Antrag einreichen, in dem sie die mögliche kommerzielle Nutzanwendung ihres Experiments erläutern. Der Antrag wird von uns begutachtet und verschiedenen Komitees vorgelegt, bevor wir eine Rangliste der Projekte erstellen, die ins All mitgenommen werden. Der Prozess zieht sich sehr lange hin – mindestens ein Jahr, wenn nicht länger.«
    »Wie lange hat es bei dem Archäen-Experiment gedauert?«
    »Sechs Monate.«
    Er runzelte die Stirn. »So schnell?«
    Liz nickte. »Auf der Überholspur. Es musste nicht, wie die meisten anderen Experimente, um NASA-Gelder anstehen. Es war privat finanziert. Irgendjemand hat dafür
bezahlt,
dass dieses Experiment zur Raumstation geschickt wurde.«
    Das war im Übrigen eine der Methoden, mit der die NASA die ISS finanziell am Leben erhielt – indem sie Nutzlastraum an Bord der Station an kommerzielle Nutzer verkaufte.
    »Weshalb sollte eine Firma Geld – und wir reden hier von einem Haufen Geld – ausgeben, um einen im Grunde wertlosen Organismus heranzuzüchten? Aus wissenschaftlicher Neugier?« Sie schnaubte verächtlich. »Wohl kaum.«
    »Wer hat dafür bezahlt?«
    »Die Firma, bei der Dr. Koenig gearbeitet hat. SeaScience in La Jolla, Kalifornien. Sie entwickeln kommerzielle Anwendungen aus Meeresprodukten.«
    Die düstere Verzweiflung, die noch vor kurzem auf Jack gelastet hatte, begann sich zu lichten. Jetzt hatte er Informationen, mit denen er arbeiten konnte. Einen Aktionsplan. Endlich konnte er etwas
tun.
    Er sagte: »Ich brauche Adresse und Telefonnummer von SeaScience. Und den Namen der Mitarbeiterin, mit der Sie gesprochen haben.«
    Liz nickte entschlossen. »Kein Problem, Jack.«

17. August
    Diana erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Ihr Kopf schmerzte, und die Träume trübten immer noch ihren Sinn. Träume von Cornwall, von dem Haus, in dem sie als Kind gewohnt hatte. Von dem gepflegten, mit

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