In der Schwebe
diente seit langem als Übungsgelände für Jagdflieger. Im Laufe der Jahrzehnte war es jedoch zu unterschiedlichen Zwecken genutzt worden. So hatte man hier während des Zweiten Weltkriegs ein Lager für deutsche Kriegsgefangene eingerichtet, und in der Nähe befand sich das Trinity-Versuchsgelände, wo die USA ihre erste Atombombe gezündet hatten, die nicht weit entfernt in Los Alamos gebaut worden war. Stacheldrahtzäune und anonyme Regierungsgebäude waren in diesem Wüstental aus dem Boden geschossen, und für die Bewohner des nahen Almogordo war es ein Rätsel, was dort eigentlich vor sich ging.
Durch das Fernglas konnte Jack das vor Hitze flimmernde Rollfeld in der Ferne ausmachen. Der Runway 16/34 war fast genau entlang der Nord-Süd-Achse ausgerichtet. Er war nahezu fünf Kilometer lang und knapp hundert Meter breit – groß genug selbst für die schwersten Düsenflugzeuge, auch noch in dieser dünnen Luft, die lange Rollwege bei Start und Landung notwendig machte.
Ein wenig westlich von der Stelle, wo sie landen sollte, wartete Jack mit dem Ärzteteam und einem kleinen Konvoi von Fahrzeugen der NASA und der United Space Alliance auf die Ankunft der
Discovery.
Sie waren mit Tragen, Sauerstoffflaschen, Beatmungsgeräten und Defibrillatoren ausgestattet – kurz, mit allem, was ein moderner Rettungswagen hergibt, und noch einigem mehr. Bei einer Landung in Kennedy würde ein Bodenteam von über hundertfünfzig Mitarbeitern den Raumtransporter in Empfang nehmen. Hier, auf diesem Rollfeld mitten in der Wüste, waren es gerade mal drei Dutzend, von denen acht zum medizinischen Personal gehörten. Einige Mitglieder der Bodencrew trugen geschlossene Schutzanzüge mit eigener Sauerstoffversorgung, die sie vor eventuell austretendem Treibstoff schützen sollten. Sie würden als Erste an den Raumtransporter herantreten und mit speziellen Sensoren die Explosionsgefahr taxieren, bevor sie den Ärzten und Schwestern erlaubten, näher zu treten.
Ein fernes Grollen ließ Jack das Fernglas von den Augen nehmen und nach Osten blicken. Hubschrauber kamen herangeflogen, so viele, dass sie wie ein bedrohlicher Schwarm schwarzer Wespen aussahen.
»Was ist das denn?«, fragte Bloomfeld, der die Hubschrauber ebenfalls bemerkt hatte. Jetzt starrte auch der Rest der Bodencrew zum Himmel, und ein erstauntes Murmeln erhob sich.
»Vielleicht Verstärkung«, meinte Jack.
Der Leiter des Konvois, der über Kopfhörer den Funkverkehr verfolgte, schüttelte den Kopf. »Die Bodenkontrolle sagt, die sind nicht von uns.«
»Der Luftraum sollte doch frei gehalten werden«, sagte Bloomfeld.
»Wir versuchen, die Hubschrauber zu rufen, aber sie antworten nicht.«
Das Grollen hatte sich verstärkt, Jack spürte es jetzt auch in den Knochen, ein tiefes, fortgesetztes Vibrieren in seinem Brustbein. Sie drangen in den Luftraum des Raumtransporters ein. In fünfzehn Minuten würde die
Discovery
aus dem Himmel herabstoßen und feststellen, dass diese Hubschrauber in ihrer Flugbahn waren. Er hörte, wie der Leiter des Konvois aufgeregt in sein Mikrofon sprach, und er spürte die Welle von Panik, die sich über die Bodencrew ausbreitete.
»Sie halten ihre Position«, sagte Bloomfeld.
Jack hob sein Fernglas. Er zählte fast ein Dutzend Hubschrauber. Sie hatten tatsächlich ihren Anflug abgebrochen und landeten jetzt wie eine Schar von Geiern unmittelbar östlich der Stelle, wo der Raumtransporter landen sollte.
»Was glaubst du, was das zu bedeuten hat?«, fragte Bloomfeld.
Noch zwei Minuten Funkstille. Noch fünfzehn Minuten bis zur Landung.
Randy Carpenter verspürte einen ersten Anflug von Optimismus. Er wusste, dass sie die
Discovery
heil zur Erde bringen konnten. Falls es nicht zu einem katastrophalen Computerausfall kam, konnten sie den Vogel vom Boden aus steuern. Hewitt war der Schlüssel. Sie musste bei Bewusstsein bleiben, musste es schaffen, im richtigen Moment zwei Schalter umzulegen. Minimale Handgriffe, die aber von entscheidender Bedeutung waren. Bei ihrem letzten Funkkontakt vor zehn Minuten hatte Hewitt fit geklungen, obwohl es unüberhörbar war, dass sie unter starken Schmerzen litt. Sie war eine gute Pilotin mit einem eisernen Rückgrat, gestählt in der Schmiede der US-Navy. Alles, was sie tun musste, war, bei Bewusstsein zu bleiben.
»Flight, wir haben gute Nachrichten von NASCOM«, meldete sich der Funkoffizier. »Die Bodenstation in Moskau hat Funkkontakt mit der ISS auf dem Regul-S-Band.«
Regul war das russische
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