In der Schwebe
Watson?«, schrie Luther.
»Gebt das Schiff nicht auf!«
Sie bewegte sich so schnell, dass sie mit dem Ellbogen an den Rand der Luke stieß. Da war er nun, der Schmerz – verursacht nicht durch den Druckabfall, sondern durch ihre eigene dumme Ungeschicklichkeit. Ihr Arm pochte, als sie sich wieder abstieß und in den Verbindungsknoten schwebte.
Griggs war nicht dort, aber sie sah seinen Laptop, der an seinem Datenkabel hängend dahintrieb. Auf dem Monitor blinkte eine leuchtend rote Warnanzeige auf: »Druckabfall.« Der Luftdruck war auf sechshundertfünfzig gefallen und fiel weiter. Sie hatten nur Minuten, um den Job zu erledigen, Minuten, bis ihr Gehirn den Dienst versagen würde.
Er hat sich bestimmt auf die Suche nach dem Leck gemacht,
dachte sie.
Er will das beschädigte Modul isolieren.
Sie tauchte durch den dichter werdenden Nebel in das USLabor. War es wirklich Nebel, oder trübte sich ihr Blick bereits durch den Sauerstoffmangel? War es ein Warnzeichen, dass sie das Bewusstsein zu verlieren drohte? Sie schoss weiter durch die Finsternis. Die Warnlichter, die unaufhörlich wie Stroboskope blinkten, raubten ihr die Orientierung. An der gegenüberliegenden Seite stieß sie gegen die Luke. Ihre Koordination hatte gelitten, ihre Ungeschicklichkeit nahm zu. Es gelang ihr, durch die Luke in Node 2 zu schlüpfen.
Griggs war da. Er war damit beschäftigt, ein Bündel von Kabeln auseinander zu ziehen, die zwischen dem NASDA- und dem ESA-Modul verliefen.
»Das Leck ist im NASDA!«, schrie er über den Lärm der Sirenen hinweg. »Wenn wir die Kabel aus dieser Luke herauskriegen und sie verschließen, können wir das Modul isolieren.«
Sie tauchte auf ihn zu, um ihm mit den Kabeln zu helfen. Sie fand eines, das sich nicht lösen ließ. »Was ist das, zum Teufel?«, rief sie. Alle Kabel, die durch Luken hindurch verlegt waren, sollten eigentlich im Notfall leicht zu trennen sein. Dieses hier war jedoch durchgehend – ein Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften. »Es hat keine Steckverbindung!«, schrie sie.
»Besorgen Sie mir ein Messer, dann schneide ich es durch!«
Sie wirbelte herum und tauchte wieder in das US-Labor ein.
Ein Messer. Wo finde ich jetzt ein verdammtes Messer?
In dem roten Blitzlichtgewitter fiel ihr Blick auf den Medizinschrank.
Ein Skalpell.
Sie riss das Schubfach auf, griff in den Instrumentenkasten und eilte nach Node 2 zurück.
Griggs nahm das Messer und begann das Kabel zu durchtrennen.
»Wie können wir euch helfen?«, hörten sie Luther rufen.
Emma drehte sich um und sah ihn zusammen mit Nikolai und Diana besorgt durch die Luke spähen.
»Das Leck ist im NASDA-Modul!«, rief sie. »Wir wollen es isolieren.«
Plötzlich sprühten Funken aus dem Kabel. Griggs zuckte zurück. »Scheiße, da ist Saft drauf!«
»Wir müssen es aber durchschneiden!«, sagte Emma.
»Und uns brutzeln lassen wie ein Stück Speck? Da halte ich aber gar nichts von.«
»Und wie sollen wir dann die Luke verschließen?«
»Wir ziehen uns weiter zurück ins Labor!«, sagte Luther. »Bis ins Labor! Wir versiegeln den ganzen Komplex und isolieren dieses Ende der Station!«
Griggs sah auf das Funken sprühende Kabel. Er wollte Node 2 nicht verschließen, denn das bedeutete, sowohl das NASDA- als auch das ESA-Modul aufzugeben. Der dann dort eintretende völlige Druckverlust würde diese Teile der Station unbrauchbar machen. Und es bedeutete, den Andockknoten für das Shuttle aufzugeben, der ebenfalls von Node 2 abzweigte.
»Wir verlieren weiter Druck, Leute«, rief Diana, die den Wert von einem tragbaren Druckmessgerät ablas. »Wir sind jetzt bei sechshundertfünfundzwanzig Hektopascal! Jetzt kommt endlich da raus, damit wir das Scheißding abriegeln können!«
Emma spürte schon, dass ihr Atem schneller ging und sie nach Luft zu ringen begann. Hypoxie – Sauerstoffmangel. Sie würden alle das Bewusstsein verlieren, wenn sie nicht sehr schnell handelten.
Sie zupfte Griggs am Ärmel. »Kommen Sie! Es ist die einzige Möglichkeit, die Station zu retten!«
Er nickte benommen und folgte Emma in das US-Labor.
Luther versuchte die Luke zu schließen, doch die Klappe rührte sich nicht von der Stelle. Da sie jetzt außerhalb von Node 2 waren, mussten sie die Klappe zuziehen statt zudrücken und somit gegen den Strom der entweichenden Luft ankämpfen. Und das in einer Atmosphäre mit rapidem Druckverlust.
»Wir müssen dieses Modul auch aufgeben!«, schrie Luther.
»Wir ziehen uns nach Node 1 zurück und
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