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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sondern ausgeglichen, alle Kräfte im Universum in harmonischem Einklang. Es konnte nicht von Dauer sein. Einen Augenblick, bevor das Flugzeug vom Stauflug ins Trudeln geriet, riß Dave hart nach links, und die Übungsmaschine erschauerte wie ein Tier, das an der Leine zurückgezogen wird, dann taumelten sie in den fünfundvierzig Meilen tiefen Sturzflug, der sie nach Houston und nach Hause führen würde.
     
    Baedecker erreicht Lonerock eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, aber das Grau ist bereits bar jeden Lichts. Er fährt zu Kinks Ranch, parkt den Toyota und trägt den bellenden Welpen ins Haus. Er füttert ihn mit Milch, stellt die Kiste neben den noch warmen Ofen in der Küche und vergewissert sich, daß das Haus bis zu seiner Rückkehr warm genug für den Hund bleiben wird.
    Draußen entfernt Baedecker die Halteseile des Huey im kalten Wind, der von Norden weht. Er braucht dreimal länger als mit Dave zusammen, und als er auf Hände und Knie sinkt und versucht, das Treibstoffablaßventil zu finden, pocht seine linke Hand vor Kälte und Schmerzen. Drei Finger sind zu doppelter Größe geschwollen. Baedecker sitzt auf dem gefrorenen Boden und fragt sich, ob welche der Finger gebrochen sind. Er erinnert sich, wie er einmal mit zwölf Jahren nach einer Schlägerei auf dem Schulhof nach Hause in die Kildare Street gekommen ist. Sein Vater hatte seine geschwollene Hand angesehen, den Kopf geschüttelt und nur gesagt:
    »Wenn du dich unbedingt prügeln und jemanden ins Gesicht schlagen mußt, dann schlag nie mit der leeren Hand.«
    Als er mit den externen Checks fertig ist, will Baedekker durch die linke Tür einsteigen, überlegt es sich und geht zur rechten Seite. Er steigt auf die Kufe, streckt die Hand zum gegenüberliegenden Rand des Sitzes aus und zieht sich hinein. Es ist kalt in dem Helikopter. Die Maschine besitzt eine Heizung und einen Entfroster, aber er kann die Energie der Batterie nicht dafür verschwenden, bevor die Turbinen laufen. Wenn sie anspringen.
    Baedecker schnallt sich an, löst die eingerastete Sperrvorrichtung, damit er sich nach vorn beugen kann, und überprüft Schalter und Unterbrecher am Armaturenbrett. Als er fertig ist, lehnt er sich zurück und berührt mit dem Kopf den Helm, der an der Klammer des Schultergurts aufgehängt ist. Er zieht den Helm über und rückt die Kopfhörer zurecht. Er hat nicht die Absicht, das Funkgerät zu benützen, aber die Kopfhörer wärmen seine Ohren.
    Baedecker lehnt sich in dem schweren Sitz zurück, dreht den Steuerknüppel zwischen seinen Füßen und nimmt die Kollektivsteuerung in die linke Hand. Er kann die Hand nicht ganz darum schließen, entscheidet aber, daß der Griff ausreicht. Er probiert, Daumen und Finger zu bewegen, um den Schub zu verändern.
    Er atmet tief aus. In Wahrheit, überlegt er sich, hat er seit über drei Jahren keine Maschine mehr geflogen, und er ist froh, daß sein Herzryhthmus nicht per Telemetrie an irgendwelche Ärzte übermittelt wird; die würden nach einem Blick auf die Monitore Tachykardie diagnostizieren. Baedecker öffnet die Schubdrosselung mit einer schmerzenden linken Hand und drückt mit dem unversehrten Finger den Starter. Ein lautes Heulen ertönt, die Turbinen zünden mit einem lauten Zischen wie die Zündflamme an einem riesigen Heißwasserboiler, die Anzeige der Abgastemperatur schnellt in den roten Bereich, während die Rotoren anfangen, sich zu drehen. Nach fünf Sekunden dreht sich die Turbine wie geschmiert und die Rotoren sind lediglich Schlieren und ein halb wahrgenommener Druck über ihm.
    »Okay, gut«, murmelt Baedecker in das tote Mikrofon.
     
    »Was jetzt?« Er schaltet Heizlüfter und Entfroster ein, wartet dreißig Sekunden, bis die Windschutzscheibe frei ist, und zieht leicht an der Rotorblattverstellung. Selbst die winzige Bewegung sie erinnert Baedecker an die empfindliche Handbremse von Joans altem Volvo steigert den Neigungswinkel so weit, daß der Huey zwei Meter in die Höhe steigt.
    Schwebeflug wäre schön, überlegt Baedecker. Er gibt mehr Schub, um den erhöhten Neigungswinkel auszugleichen, und seine linke Hand protestiert, weil sie zwei Dinge gleichzeitig tun muß. Er steigt auf drei Meter und hat die Absicht, den Huey eine Minute oder so da zu halten; die Windschutzscheibe befindet sich auf einer Höhe mit der offenen Luke von Kinks fünfzehn Meter entferntem Heuschober. Sofort versucht das Drehmoment, die Maschine im Gegenuhrzeigersinn um die eigene Achse zu drehen.

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