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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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letzte Mal sein, Di«, sagt Baedecker. Sie nickt, sagt aber nichts. Baedecker betrachtet ihr Gesicht, sieht die Sommersprossen auf der blassen Haut und muß an eine Porzellanpuppe aus Deutschland denken, die seine Mutter auf ihrer Kommode sitzen hatte. Er hatte sie eines Tages zerbrochen, als er mit Boots, ihrem zu groß geratenen Spaniel, durch das Haus getobt war.
    Sein Vater hatte sie zwar sorgfältig wieder zusammengeleimt, aber von dem Zeitpunkt an waren Baedecker stets die winzigen, haarfeinen Risse auf den weißen Wangen und der Stirn der zerbrechlichen Figur aufgefallen. Nun studiert Baedecker Dianes Stirn, als suche er dort nach neuen Rissen.
    Draußen schneit es heftiger.
     
    Baedecker traf Anfang Oktober in Salem ein. Er sprang vom Zug, stellte das Gepäck ab und sah sich um. Der kleine Bahnhof lag fünfzig Meter entfernt. Er war kaum größer als ein kleiner Picknickpavillion und sah aus, als wäre er in den zwanziger Jahren erbaut und kurz danach wieder aufgegeben worden. Moosklumpen wuchsen auf den Dachziegeln.
    »Richard!«
    Baedecker sah an einer Familie vorbei, die sich umarmte, und konnte die hochgewachsene Gestalt von Dave Muldorff beim Bahnhof erkennen. Baedecker winkte, hob seine alte Militär-Fliegertasche auf und ging langsam in Daves Richtung.
    »Verdammt, es ist schön, dich zu sehen«, sagte Dave. Seine Hand war groß, der Handschlag fest.
    »Es ist schön, dich zu sehen«, sagte Baedecker und stellte von einer plötzlichen Gefühlsaufwallung begleitet fest, daß er sich wirklich freute, seinen alten Mannschaftskameraden zu sehen. »Wie lange ist es her, Dave? Zwei Jahre?«
    »Fast drei«, sagte Dave. »Bei dieser Luftund Raumfahrtmuseumsgeschichte, zu der Mike Collins eingeladen hatte. Was hast du mit deinem Bein angestellt?«
    Baedecker lächelte leutselig und klopfte sich mit dem Spazierstock, den er als Krücke benützte, an den rechten Fuß.
    »Nur ein verstauchter Knöchel«, sagte er. »Ich habe ihn mir übertreten, als ich mit Tom Gavin in den Bergen war.«
     
    Dave nahm Baedeckers Fliegertasche, dann gingen die beiden langsam zum Parkplatz. »Wie geht es Tom?«
    »Prima«, sagte Baedecker. »Ihm und Deedee geht es ausgezeichnet.«
    »Er ist neuerdings im Erlösungsgeschäft, oder nicht?« Baedecker sah seinen ehemaligen Mannschaftskameraden an. Gavin und Muldorff hatten sich nie leiden können. Baedecker war neugierig, wie Dave heute, fast siebzehn Jahre nach dem Unternehmen, empfinden mochte.
    »Er leitet eine religiöse Organisation namens Apogee«, sagte Baedecker. »Ziemlich erfolgreich.«
    »Gut«, sagte Dave, dessen Stimme aufrichtig klang. Sie hatten einen neuen weißen Jeep Cherokee erreicht, Dave warf Baedeckers Fliegertasche und Reisetasche zur Hecktür hinein. »Freut mich zu hören, daß es Tom gutgeht.« Der Jeep roch nach neuen Polstern, die von der Sonne erwärmt worden waren. Baedecker kurbelte das Fenster herunter. Der Oktobertag war warm und wolkenlos. Vertrocknete Blätter raschelten an einer alten Eiche unmittelbar hinter dem Parkplatz. Der Himmel hatte eine herzzerreißend klare blaue Farbe. »Ich dachte, hier in Oregon würde es immer regnen«, sagte Baedecker.
    »Tut es normalerweise auch.« Dave lenkte den Jeep in den Verkehrsstrom. »An drei oder vier Tagen im Jahr kommt die Sonne heraus und gibt uns eine Chance, die Pilze zwischen unseren Zehen abzukratzen. Polizei, Fernsehsender und der hiesige Luftwaffenstützpunkt hassen Tage wie diesen.«
    »Warum?« fragte Baedecker.
    »Jedesmal, wenn die Sonne herauskommt, bekommen sie dreibis vierhundert Anrufe, die ein großes, orangerotes UFO am Himmel melden.«
    »O-ooh.«
    »Ich verscheißere dich nicht. Im ganzen Bundesstaat sausen die Vampire zu ihren Särgen. Dies ist der einzige Staat der Union, wo sie ihrem Geschäft bei Tag nachgehen können, ohne Sonnenlicht abzubekommen. Solche sonnigen Tage sind ein großer Schock für unsere Nosferatupopulation.«
    Baedecker lehnte den Kopf an die Sitzlehne und machte die Augen zu. Es würde ein langer Besuch werden.
    »He, Richard, sieht man mir an, daß ich kürzlich oralen Sex mit einem Huhn hatte?«
    Baedecker öffnete ein Auge. Sein alter Mannschaftskamerad glich immer noch einer schlaksigen, runzeligen Version von James Garner. Jetzt wies das Gesicht noch mehr Falten auf, die Wangenknochen zeichneten sich deutlicher unter der Haut ab, aber in dem lockigen schwarzen Haar war keine Spur grau zu erkennen.
    »Nein«, sagte Baedecker.
    »Gut«, sagte Dave in

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