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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Bratkartoffeln aß.
    »Morgen nehmen wir dich mit nach Lonerock«, sagte Dave.
    »Hört sich toll an«, sagte Baedecker. »Ich freue mich schon darauf, es zu sehen, nachdem ich jahrelang soviel davon gehört habe.«
    »Dave nimmt dich mit dorthin«, sagte Diane. »Ich habe morgen abend einen Empfang im Kinderheim und eine Spendensammlung am Sonntag. Wir sehen uns am Montag.«
    Baedecker nickte und sah Diane Muldorff an. Sie war vierunddreißig, vierzehn Jahre jünger als ihr Mann. Mit ihrer zerzausten Mähne schwarzen Haars, den erstaunlich blauen Augen, der Stupsnase und den Sommersprossen erinnerte sie Baedecker an alle ›Mädchen von nebenan‹, die er je kennengelernt hatte. Und doch besaß Diane eine starke erwachsene Ader, eine leise aber feste Reife, die im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft noch betont wurde. An diesem Abend trug sie Jeans und ein verblichenes blaues Oxford-Hemd, dessen Zipfel heraushingen. »Du siehst gut aus, Di«, sagte Baedecker impulsiv. »Die Schwangerschaft steht dir gut.«
    »Danke, Richard. Du siehst auch gut aus. Du hast seit der Party in Washington etwas abgenommen.«
    Baedecker lachte. Damals war er am schwersten gewesen, sechsunddreißig Pfund über seinem Fliegergewicht. Jetzt lag er immer noch einundzwanzig Pfund über diesem Gewicht.
    »Joggst du immer noch?« fragte Dave. Muldorff war der einzige der zweiten Astronautengeneration, der nicht regelmäßig lief. Das war Anlaß zu mancherlei Tadel gewesen. Jetzt, zehn Jahre, nachdem er das Programm verlassen hatte, sah er schlanker als damals aus. Baedecker fragte sich, ob Daves Krankheit der Grund dafür war.
    »Ich laufe ein wenig«, sagte Baedecker. »Hab' erst vor ein paar Monaten wieder angefangen, nachdem ich von Indien zurückgekommen bin.«
    Diane trug einige Flaschen eiskaltes Bier zum Tisch und stellte sie ab. Das letzte Abendlicht fiel auf ihre Wangen. »Wie war Indien?« fragte sie.
    »Interessant«, sagte Baedecker. »Zuviel zu sehen in der kurzen Zeit.«
    »Und hast du Scott dort getroffen?« fragte Dave.
    »Ja«, antwortete Richard. »Kurz.«
    »Scott fehlt mir«, sagte Dave. »Erinnerst du dich an unsere Angelausflüge bei Galvestone Anfang der siebziger Jahre?«
     
    Baedecker nickte. Er erinnerte sich an die endlosen Nachmittage im strahlenden Sonnenschein und die trägen, warmen Abende. Er und sein Sohn kamen beide mit Sonnenbrand nach Hause. »Die Rothäute kommen!« hatte Joan in gespielter Verzweiflung gerufen. »Holt die Brandsalbe!«
    »Hast du gewußt, daß dieser Wieheißternochgleich, Scotts heiliger Mann, endgültig in seinen Ashram nicht weit von Lonerock entfernt übersiedeln möchte?« fragte Diane.
    Baedecker sah sie blinzelnd an. »Auf Dauer? Nein, das habe ich nicht gewußt.«
    »Wie war der Ashram in Poona, wo Scott wohnt?« fragte Dave.
    »Das kann ich nicht sagen«, meinte Baedecker. Er dachte an den Laden vor dem Hauptgebäude, wo man T-Shirts mit dem bärtigen Gesicht des Meisters darauf kaufen konnte. »Ich war nur zwei Tage in Poona und habe kaum etwas von dem Ashram gesehen.«
    »Wird Scott in die Staaten zurückkehren, wenn die Gruppe hierher zieht?« fragte Diane.
    Baedecker kostete das Bier. »Ich weiß nicht«, sagte er.
    »Vielleicht ist er schon hier. Ich fürchte, ich habe den Kontakt verloren.«
    »He«, sagte Dave. »Möchtest du auf ein schnelles Spiel mit in das Billy Yard-Zimmer kommen?«
    »Billy Yard-Zimmer?« sagte Baedecker.
    »Was ist los mit dir, Richard?« sagte Dave, »hast du in den goldenen Zeiten der Glotze nie die Beverly Hillbillies angesehen?«
    »Nein«, sagte Baedecker.
    Dave sah Diane an und verdrehte die Augen. »Das ist das Problem mit diesem Burschen, Di. Er ist kulturell vollkommen unterernährt.«
    Diane nickte. »Ich bin sicher, du wirst das kurieren, Dave.«
    Muldorff schenkte Bier nach und trug beide Krüge zur offenen Verandatür. »Sein Glück, daß ich zwanzig Folgen der Beverly Hillbillies auf Video aufgenommen habe. Wir fangen damit an, sobald ich ihn in einem schnellen, aber teuren Billardspiel vernichtet habe. Komm mitt mirr, mon sewer Baedecker.«
    »Oui«, sagte Baedecker. Er nahm etwas Geschirr und trug es Richtung Küche. »Einen Augenblick, por favor, mon ami.«
     
    Baedecker parkt den Mietwagen und geht die zweihundert Meter zur Absturzstelle. Er hat schon viele solcher Stellen gesehen und rechnet nicht damit, daß diese Überraschungen bergen wird. Er irrt sich.
    Als er die Kuppe des Grats erreicht, streicht eisiger Wind über ihn

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